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Tigermilch

Tigermilch

Titel: Tigermilch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie de Velasco
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fertig. Mein Arm tut Hölle weh, ich versuche, nicht dran zu denken, schaue hoch in den Himmel, überall grüne Baumkronen. Was das wohl für Bäume sind, frage ich mich, die kleinen Zweige, die auf der Erde liegen, sehen aus wie Knochen von toten Tieren.
    Wald zieht einen irgendwie runter, sage ich.
    Finde ich auch, sagt Jameelah und lässt den Blick nach oben zu den Baumkronen wandern, was ist das nur, dieses komische Ding mit den Deutschen und dem Wald, erklär mir das mal.
    Woher soll ich das wissen, sage ich und lasse den Korb ohne Vorwarnung auf den Boden fallen.
    Ich kann nicht mehr.
    Ich auch nicht, sagt Jameelah, Mann, mir hängt die Zunge schon sonst wo, hast du was zu trinken mit?
    Nee.
    Sehnsüchtig schauen wir beide auf den Preiselbeersaft, der im Korb unter dem durchsichtigen Papier liegt.
    Ich sterbe vor Durst.
    Ich auch.
    Meinst du, Amir ist sehr sauer, wenn wir seinen Saft trinken?
    Bestimmt nicht, sage ich.
    Genau das wollte ich hören, sagt Jameelah und knibbelt mit ihren langen Fingernägeln an den kleinen Knoten vom Geschenkband herum, sie macht das Papier zur Seite und greift gierig nach der Saftflasche.
    Waidmanns Heil, Prost.
    Waidmanns Halal, lass es dir schmecken.
    Mann, hat jemals was so gut geschmeckt, sagt Jameelah und reicht mir die Flasche rüber, ihre Zähne sind ganz lila.
    Ich setze die Flasche an und trinke.
    Hast recht, sage ich, schmeckt fast so gut wie Tigermilch.
     
     
    Vor dem Eingang zur Haftanstalt steht Nico und raucht. Sein BMX lehnt an der Wand, und in der Hand hält er seinen Kinderkoffer.
    Na endlich, sagt er, wo wart ihr denn so lange?
    Wir haben noch was für Amir besorgt.
    Das da, sagt Nico und zeigt auf den Korb, das dürft ihr niemals mit reinnehmen.
    Wieso?
    Weil das hier immer noch ein Knast ist und keine Jugendherberge, auch wenn es auf den ersten Blick nicht so aussieht.
    Jetzt haben wir uns so abgeschleppt mit dem Ding, jetzt werden wir es auch irgendwie da reinbekommen, sage ich.
    Nico zieht an seiner Kippe und grinst.
    Bin gespannt, wie ihr das hinkriegen wollt.
    Ach ja, sagt Jameelah, und ich bin gespannt, wie du deinen dämlichen Koffer da reinkriegen willst.
    Wir schleppen den Korb bis zur Pforte. Dort sitzt derselbe Typ wie letztes Mal, der, der uns die Telefonnummer und das Infoblatt gegeben hat.
    Ausweise und Sprechschein, sagt er.
    Wir kramen unsere Schülerausweise und den Sprechschein aus dem Zauberbuch für neue Hexen und legen alles auf Nicos Perso, der liegt schon auf der Ablage. Der Pförtner schaut nur kurz auf den Perso, dann sagt er, in Ordnung. Wir wollen gerade weitergehen, da zeigt er auf unseren Korb.
    Den da, sagt er, den könnt ihr aber nicht mit hineinnehmen.
    Der ist nicht für uns, sage ich, der ist ein Geschenk für unseren Freund.
    Ich weiß, sagt der Pförtner, deswegen dürft ihr das ja auch nicht mit hineinnehmen.
    Sie können den Korb gern durchsuchen, wir haben bestimmt keine Feile reingebacken, sagt Jameelah und klimpert dabei mit ihren Wimpern, aber der Pförtner schüttelt den Kopf.
    Geht nicht.
    Dürfen wir unserem Freund denn gar nichts mitbringen?
    Häftlinge können drei Mal im Jahr Pakete bekommen, diese müssen jedoch angemeldet und postalisch zugestellt werden, am besten zu Weihnachten, Ostern oder zum Geburtstag. Dann freuen sich die Häftlinge eh viel mehr. So ganz ohne Anlass, sagt der Pförtner, das ist doch nichts.
    Er stößt mit seinen Stiefeln die Tür zu seinem Kabuff auf.
    Den könnt ihr hier abstellen und nachher wieder mitnehmen.
    Wusst ichs doch, sagt Nico und grinst, als wir über den Hof in Richtung Haupteingang gehen.
    Halt bloß die Klappe, sagt Jameelah.
    Das hier ist kein normales Gefängnis, hier sind keine Erwachsenen, nur Jugendliche, die auf ihren Prozess oder auf ihr Urteil warten, das habe ich in dem Infoblatt gelesen, das wir letztes Mal mitbekommen haben. Nico hat recht, von außen sieht es nicht aus wie ein Gefängnis, eher wie eine Mischung aus Jugendherberge und Irrenanstalt, wegen der vergitterten Fenster, aber am Eingang ist es dann doch so, wie man es sich im Knast vorstellt. Hinter Glas sitzt ein Mann in Uniform, er schiebt durch eine spezielle Vorrichtung für jeden von uns einen kleinen Plastikkorb, solche wie die, in denen Noura ihre Wäscheklammern aufbewahrt. Wir müssen alles, was wir mithaben, hineintun, auch was in unseren Hosentaschen ist, Kippen, Kaugummis, sogar meine Tampons muss ich abgeben.
    Der Koffer da, sagt ein Beamter und zeigt auf Nicos Kinderkoffer, der muss

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