Tigermilch
Sprechschein, der gleich neben Lukas’ Foto steckt, sicherlich nicht verlieren wird.
Bevor Jameelah und ich zum Gefängnis fahren, gehen wir in die Arkaden, wir fahren ins Untergeschoss zu Perfetto, da, wo die Präsentkörbe stehen. Präsentkörbe sind, glaube ich, die besten Geschenke der Welt, sie sind groß, sie machen satt, sie haben Namen, sie sind wie die guten, warmen, besseren Menschen. Ich wollte schon immer mal einen Präsentkorb geschenkt bekommen, aber weil das wahrscheinlich eh nie passieren wird, will ich wenigstens einmal selbst einen verschenken, und das hier ist jetzt genau der richtige Anlass. Als die Verkäuferin uns aber fragt, für welchen Anlass der Präsentkorb denn ist, wissen wir auf einmal gar nicht mehr so richtig, was wir sagen sollen.
Für unseren besten Freund, sagt Jameelah, wir wollen ihm eine Freude machen.
Da, wo er jetzt ist, geht es ihm nicht so gut, sage ich, er kann dort auch nicht raus.
Er ist in so einer Art Krankenhaus, sagt Jameelah, in einem Waldkrankenhaus. Wir glauben, dass es ein schlechtes Krankenhaus ist mit schlechtem Essen, deswegen wollen wir ihm was Gutes zu essen mitbringen.
Wald, Essen, Krankenhaus, sagt die Verkäuferin, da habe ich glaube ich etwas für Sie.
Es ist das erste Mal, dass uns jemand siezt, fühlt sich komisch an, ich weiß nicht, ob ich das mag. Sie führt uns an den langen Regalen mit den vielen Präsentkörben entlang, ich kann im Vorbeigehen die Namen lesen, Süße Sünde, Babytöpfchen, Der kleine Käsefreund, einer heißt Junggesellenabschied, er ist voller Tampons und Gummis und Schnäpse. Sollte vielleicht eher Kurfürstenstraße heißen, denke ich, und wer den Körben wohl ihre Namen gibt und dass ich so etwas gern beruflich machen würde, aber daraus wird wohl nichts. Mama hat sich mal vor ein paar Jahren bei Perfetto beworben, sie haben sie aber nicht genommen, Sie sind nicht genügend qualifiziert, haben sie zu ihr gesagt.
Bitte schön, sagt die Verkäuferin und bleibt vor einem grünen Korb stehen, das ist Waidmanns Heil.
Aha, sagt Jameelah, und was ist da Gutes drin?
Jagdwurst, Steinpilzsuppe, Wildtopf, Jägermeister, Preiselbeersaft, Waldfruchtkonfitüre, Salz- und Mürbegebäck.
Jameelah schaut mich an.
Was meinst du?
Finde ich gut, sage ich, nur ein bisschen wenig. Sollte vielleicht von allem das Doppelte drin sein, du kennst doch Amir, der frisst für zwei.
Geht das, fragt Jameelah, nimmt die Dose Wildtopf aus dem Korb und liest sich die Zutaten durch.
Kein Problem, sagt die Verkäuferin.
Gut, dann Waidmanns Heil, aber alles zweimal.
Und das hier muss rein, sage ich und halte der Verkäuferin das Tabac-Parfüm hin, das wir vom Kindersitztypen mitgenommen haben.
Genau, und das hier muss raus, sagt Jameelah und zeigt auf die Wurst und den Jägermeister, das muss alles Halal sein.
Was meinen Sie damit, fragt die Verkäuferin.
Kein Schweinefleisch und keinen Alkohol, sagt Jameelah, das ist nicht Halal, da muss was anderes rein. Deutschland und der deutsche Wald, das wird unserem Freund gefallen, aber aus Waidmanns Heil müssen Sie Waidmanns Halal machen. Geht das?
Ich muss grinsen, Waidmanns Halal, das ist mal wieder typisch Jameelah. Die Verkäuferin geht ins Lager und kommt mit einem großen Korb zurück, in den sie schon alle Sachen reingetan hat, die auch in dem kleinen Korb sind. Sie räumt die Sachen vom kleinen Korb zusätzlich in den großen, sie holt die Wurst und den Jägermeister raus und tut stattdessen eine Kilopackung schwarzen Tee und Jumbogeflügelwürstchen hinein. Sie stellt den Korb auf einen Holztisch, zieht Unmengen an Zellophanpapier von einer langen Rolle ab, und fängt an, ihn einzupacken. Das Papier knistert, das Geräusch, das die Schere macht, als die Verkäuferin das Geschenkband einzwirbelt, klingt wie Weihnachten und Geburtstag zusammen. Jameelah legt einen Fünfziger auf den Tisch, und ich lege auch einen Fünfziger auf den Tisch. Die Verkäuferin lächelt, und wir auch, aber wegen was anderem, die Verkäuferin lächelt, weil sie denkt, dass wir nette Mädchen sind, weil wir unser Taschengeld für einen lieben Freund gespart haben, und wir lächeln, weil wir denken, dass sich das mit dem Kindersitztyp und dem im Rollstuhl zumindest jetzt gelohnt hat, wo wir für Amir den Präsentkorb gekauft haben.
Waidmanns Halal ist monsterschwer. Der Weg bis zur Bahn geht noch gerade, aber als wir durch den Wald bis zur Haftanstalt laufen, bin ich schon nach der halben Strecke total
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