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Tigermilch

Tigermilch

Titel: Tigermilch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie de Velasco
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hierbleiben.
    Jameelah grinst breit.
    Können wir unserem Freund denn gar nichts mitbringen, fragt Nico und überlässt dem Beamten, der ihn abtastet, widerwillig seinen Koffer.
    Sie können, wenn wir hier fertig sind, im Besucherraum für 15 Euro Hartgeld verschiedene Dinge an einem Automaten ziehen, die können Sie dem Häftling aushändigen.
    Ist ja wie im Knast hier, sagt Nico.
    Niemand lacht.
    Das Geräusch, wenn sich die Eisentüren öffnen und schließen, die schweren klimpernden Schlüssel, die an den Hüften der Beamten baumeln, ihre ernsten Gesichter, das alles macht mich nervös, aber am allernervösesten macht mich der Gedanke, dass hier irgendwo in der Nähe Amir auf uns wartet. So müssen Menschen sich fühlen, die einander jahrelang nicht gesehen haben, denke ich, so wie im Fernsehen bei Nur die Liebe zählt.
    Als der in Uniform uns endlich in den Besucherraum führt, ist Amir noch nicht da. Unsere Schritte hallen, so kahl und leer ist es in dem Raum. Es riecht nach Febreze. Die Fenster sind voller Taubenscheiße, durch sie hindurch fällt Sonne und lässt den Staub in der Luft tanzen. Ich muss niesen. Der in Uniform bleibt an der Tür stehen, wie ein Zinnsoldat, fehlt nur noch diese blöde rote Mütze.
    Sind das da die Automaten, fragt Nico und zeigt auf die Wand.
    Der in Uniform nickt.
    Neben einem Getränkeautomaten steht ein Ding, das aussieht wie der Futterautomat im Tierpark Friedrichsfelde. Wir waren mit der Schule mal dort, Amir, Jameelah und ich. Ich weiß noch, wie die niedlichen Rehe hinter dem Gitter das Futter aus unseren Händen gefressen haben, wie warm und weich sich das auf der Hand angefühlt hat, wie beruhigend das Geräusch, das sie beim Fressen gemacht haben, diese Seitwärtsbewegung vom Kiefer beim Kauen, und wenn dieser Automat nicht wäre, dann würde ich gar nicht an die Rehe von Friedrichsfelde denken müssen, dann würde ich nicht denken, dass plötzlich einer von uns dieses Reh hinter Gittern ist, genauso unschuldig wie die Tiere in Friedrichsfelde, und wir die, die ihn mit dem Zeugs aus dem Automaten füttern sollen.
    Wollt ihr was zu trinken, fragt Nico, hier gibt es Tee, Kaffee, Orangensaft.
    Der Orangensaft schmeckt scheußlich, nach Tierpark, nach Jugendherberge, nach Irrenanstalt, nach Knast. Knallorange ist er und viel zu süß, da ist alles drin, nur keine Orange. Nico trommelt mit den Fingern auf dem Tisch, neben ihm liegen eine Packung Schogetten, eine Tüte Obst und Kaugummis, alles aus dem Automaten gezogen. Jameelah pustet über ihren dampfenden Plastikbecher, Glückstee steht auf dem Teebeutel, aber Jameelah nippt nur kurz, so als hätte sie Angst, sich am Glück zu verbrühen. Ich trinke meinen Saft, ich denke, mit Mariacron und einem Schuss Milch wäre er besser, da geht die Tür auf.
     
     
    Zuerst sehe ich Amirs Hände, sie stecken in Handschellen, eisern umschlingen sie seine Handgelenke, bis der in Uniform sie aufschließt. Amir lächelt, er sieht müde aus, aber auf seine aufgerissenen Mundwinkel hat jemand Penaten geschmiert, und der blaue Fleck unterm Auge ist verschwunden. Er trägt auch keine gestreiften Klamotten, wie ich es mir vorgestellt habe, sondern das Picaldi-Shirt, das er sonst immer zum Sportunterricht angehabt hat. Ich will auf ihn zulaufen, aber der in Uniform sagt, halt, keinen Körperkontakt.
    Aber die Hand geben dürfen wir ihm schon, oder, sagt Nico und geht auf Amir zu.
    Alter, sagt er, schön dich zu sehen.
    Amir schlägt ein.
    Ich strecke meine Hand aus, Amir nimmt sie und drückt kurz zu.
    Hallo, sagt er und lächelt.
    Jameelah steht auf, sie wischt sich die Hände an ihrer Jeans ab, dann hält sie Amir die Hand hin.
    Salam, Bruder.
    Blöde Frage, aber wie gehts dir, sagt Nico.
    Amir lächelt wieder.
    In Ordnung.
    Das hier ist für dich, sagt Nico und schiebt ihm die Schogetten, die Kaugummis und das Obst rüber.
    Danke, sagt Amir, wie gehts euch?
    Wie soll es uns schon gehen, wenn du hier drinsitzt, sagt Jameelah.
    Hast du einen guten Anwalt, fragt Nico.
    Hier ist so eine Frau gewesen, sagt Amir, ich weiß nicht, was gut heißt, aber sie hat gesagt, sie verteidigt mich umsonst, weil mein Fall so besonders ist. Keine Ahnung, ich glaube, sie macht das nur wegen der Karriere. Aber das ist gut, weil wir haben kein Geld für so was.
    Und der Prozess, wann fängt der an, fragt Nico.
    Jetzt bald. Das ist so bei Jugendstrafrecht, das geht schneller als bei Erwachsenen, weil ich nicht so lange in U-Haft sitzen soll.
    Und was sagt die

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