Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tijuana Blues

Tijuana Blues

Titel: Tijuana Blues Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriel Trujillo Muñoz
Vom Netzwerk:
Mexiko.«
    »Wann war das?«, fragte Morgado.
    »Ende der Vierziger-, Anfang der Fünfzigerjahre.«
    Morgado nahm das Buch und blätterte es durch. In der Mitte des Buches waren ein paar Fotos. Auf einem war Burroughs zusammen mit dem Kleinen in dem zu weiten Anzug zu sehen. »Dave Tercerero«, sagte Morgado. »Die Gespenster bekommen allmählich Namen.«
    Er drehte die Seite um und sah noch ein Foto: Burroughs auf einem typischen mexikanischen Polizeirevier. Zwei Beamte schauten ihn neugierig an, während er etwas erklärte. Morgado wandte sich wieder dem Buchhändler zu. »In was war er verwickelt? Drogenhandel? Unzucht mit Minderjährigen?«
    Der Buchhändler schüttelte den Kopf. »Er hat nur seine Frau mit einem Kopfschuss getötet. À la Wilhelm Tell.«
    »Und wie lautete das Urteil?«
    »Ich glaube, fahrlässige Tötung oder so ähnlich.«
    »Und wie lange war er im Gefängnis?«
    »Ich weiß nicht. Deswegen habe ich dir das Buch gegeben. Aber ich glaube, nicht lange. Vielleicht ein paar Wochen oder Monate. Erinnere dich, damals war Miguel Alemán Präsident, und die Bestechung war ein allmächtiger Gott.«
    »War das so?«, fragte Morgado.
    Diesmal bekam er keine Antwort.
     
2
     
    Morgado kehrte am Nachmittag in sein Büro zurück. Er hatte den Fall der Landarbeiter gegen einen durch verschiedene Strohmänner gedeckten Großgrundbesitzer geknackt, der Aufseher ohne Vorstrafen einsetzte, um die Landarbeiterführer zu töten, die ihm Probleme bereiteten. Aber das reichte nicht. Die rechtliche Argumentation war eine Sache, die Mühlen der Justiz waren eine andere. Es wird Ärger geben, dachte er, während er die Aktenstapel des Falles auf seinen Schreibtisch legte. Dann bemerkte er die Stille. Die Tischler waren eine Stunde vor der vereinbarten Zeit gegangen. Der Raum gehörte wieder ihm. Er setzte sich in seinen Sessel und betrachtete die Bäume des nahe gelegenen Mexiko-Parks und das Gewusel der in der Ferne spielenden Kinder.
    »Darf ich?«, fragte eine Stimme hinter ihm.
    Morgado lächelte, als er die Stimme erkannte. »Ja«, erwiderte er.
    Es war der Tischler in Not, der mit den alten Fotos und Zeitungsausschnitten. Er setzte sich auf einen Stuhl. »Haben Sie gelesen, was ich Ihnen gegeben hatte?«
    Morgado holte den weißen Umschlag aus einer Mappe. »Ich habe die Fotos gesehen. Ich hatte keine Zeit, die Dokumente und die Ausschnitte gründlich durchzugehen. Aber ich habe eine Ahnung, worum es gehen könnte.«
    »Dann nehmen Sie den Fall also an?«
    Morgado betrachtete den Tischler und wusste nicht, wie er diesen unermüdlichen Arbeiter aus armen Verhältnissen mit den verrückten, durch die Welt ziehenden Dichtern in Verbindung bringen sollte.
    »Ich weiß nicht, von welchem Fall Sie sprechen«, sagte er. »Dem Mord an Burroughs’ Frau? Dem Drogenschmuggel von Panama nach Mexiko? Der Korruption bei der Polizei in einem Strafprozess, der nie abgeschlossen wurde?«
    Der Tischler stand auf und fing an im Büro des Rechtsanwalts umherzugehen. Nervös. Verzweifelt. »Nein! Nein! Nein!«, murmelte er.
    »Dann erklären Sie es mir«, sagte Morgado beruhigend.
    »Haben Sie die Zeitungsausschnitte gesehen?«
    »Flüchtig. Warum?«
    »Da steht alles drin.«
    »Vielleicht. Aber ich bin kein Hellseher.«
    Der Tischler ging zum Schreibtisch und holte einen Zeitungsausschnitt und ein Foto aus dem Umschlag. »Hier steht es.«
    Morgado nahm den Ausschnitt und las die Schlagzeile: »Heroinfracht in Tijuana konfisziert. Ein Amerikaner tot, ein weiterer flüchtig.« Dann schaute er sich das Foto an: der muskulöse Mann und die junge Mexikanerin von dem anderen Foto, dem von der Kneipe, in einem Boot in Xochimilco.
    »Wer sind die beiden?«, fragte Morgado.
    Der Tischler ließ sich auf einen Stuhl fallen, als wäre alle Energie aus seinem Körper gewichen, völlig erschöpft. »Meine Eltern«, sagte er und fing leise an zu schluchzen.
     
3
     
    Das Bodegón war ein langes schmales Lokal. Morgado hielt es für den besten Aufenthaltsort bei einem Erdbeben. »Wenn das Gebäude über dir einstürzt, hast du schon deinen Sarkophag«, pflegte er zu seinen Freunden zu sagen, wenn er sie an diesem schlecht belüfteten Ort ohne Fluchtwege auf ein Glas einlud. Aber diesmal machte er keine scherzhafte Bemerkung zu seiner Begleitung, Alfonso Keller Padilla, besser bekannt als El Güero.
    »Was möchtest du?«
    »Einen Tequila.«
    » Hornitos oder Conmemorativo? «
    » Hornitos. «
    »Dann zwei bitte.«
    Während sie die erste Runde

Weitere Kostenlose Bücher