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Tijuana Blues

Tijuana Blues

Titel: Tijuana Blues Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriel Trujillo Muñoz
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Tequila in ihre Kehlen laufen ließen, versuchte Morgado die Puzzleteile des Falles zu sortieren, der sich fast fünfzig Jahre zuvor zugetragen hatte. Die Grundfragen sortierten sich allmählich in seinem Geist, während der Tequila seine Zweifel auflöste oder zumindest wegschob.
    »Okay«, rief er aus, als der Kneipenwirt zum zweiten Mal sein Tequilaglas füllte. »Erzähl mir die Geschichte noch einmal, dann werde ich dir ein paar Fragen stellen und ein wenig Licht in diese rätselhafte Geschichte bringen.«
    »Aber ich habe sie Ihnen doch schon erzählt«, sagte El Güero.
    »Ich meine vernünftig. Du hast mehr geweint als alles andere, und da versteht man wenig. Jetzt mal der Reihe nach. Fang mit deinem Vater und deiner Mutter an. Wie haben sie sich kennen gelernt?«
    »Er war aus Kalifornien. Ich glaube aus Berkeley. Er war wegen des Koreakrieges aus der Army desertiert und kam deswegen und wegen der Kommunistenjagd nach Mexiko. Das erzählte meine Mutter. Er sei Pazifist gewesen und habe marxistische Sachen gelesen.«
    Morgado hob die Hand, um ihn zu stoppen. »Du wirkst nicht wie ein einfacher Tischler.«
    »Ich bin Kunsttischler, das ist etwas anderes.«
    »Schön. Was hast du für eine Ausbildung?«
    »Ich bin gelernter Möbelrestaurateur. Dann habe ich an der Kunsthochschule studiert, um Restaurationsgehilfe für Kunstwerke zu werden. Ich habe am Nationalen Institut für Anthropologie und Geschichte gearbeitet, aber vor zwei Monaten haben sie Personal abgebaut, und ein Cousin von mir, Manuel Márquez, hat mir angeboten, mit ihm im Akkord zu arbeiten. Ich verdiene mehr Kohle als vorher, und ich habe mehr Zeit, um über die Geschichten nachzudenken, die meine Mutter mir erzählt hat. Vor allem über das Verschwinden meines Vaters … über seine Abwesenheit.«
    »Und dann hast du nach Informationen gesucht.«
    »All die Fotos stammen aus einem Karton, den mir meine Mutter anvertraut hat, als sie vor drei Jahren gestorben ist.«
    »Und die Zeitungsausschnitte?«
    »Ein paar stammen auch daraus, aber andere habe ich entdeckt, als ich angefangen habe, auf eigene Faust die Vergangenheit zu erforschen. Ich habe alles zusammengetragen, was ich über diese Zeit finden konnte.«
    »1951 und 52«, präzisierte Morgado.
    »Ja, genau. Ich bin ins Staatsarchiv gegangen. Der frühere schwarze Palast von Lecumberri, das Gefängnis.«
    »Du bist ein guter Detektiv.«
    »Ich will etwas anderes sein«, stellte El Güero klar. »Ich will ein guter Sohn sein.«
    »Dein Vater kam mit einer Gruppe drogenabhängiger Schriftsteller nach Mexiko.«
    Der Kunsttischler schüttelte heftig den Kopf. »Nein. Meine Mutter sagt, er habe keine Drogen genommen und nicht auf Künstler gemacht. Er habe Geschichtsunterricht am Mexico City College gegeben. Und er war normal, verstehen Sie? Er war nicht schwul oder so was. Er sei seinen Pflichten immer nachgekommen.«
    »Wie hat er die anderen Amerikaner kennen gelernt? Am College?«
    »Ja. An den Wochenenden haben die Ami-Lehrer wohl immer bei einem von ihnen Partys organisiert. Jeder brachte selbst mit, was er konsumieren wollte. Manche Essen, andere Schnaps und wieder andere Marihuana. Ein paar wenige Opium und Heroin. Aber alles ging ganz ruhig vonstatten.«
    »Und deine Mutter? Wie haben deine Eltern sich kennen gelernt?«
    »Sie war Sekretärin am College. Und dort sind sie sich über den Weg gelaufen.«
    »Deine Mutter hieß Carmen Padilla, und dein Vater?«
    »Timothy Randolph Keller.«
    Morgado hatte eine trockene Kehle und bestellte noch eine Runde Tequila. Der Kneipenwirt schenkte sofort nach.
    »Wie ist Timothy in die Geschichte in Tijuana geraten?«
    »Durch Burroughs. Dieser verdammte Wichser war an allem Schuld. Meine Eltern hatten im Mai 1951 geheiratet. Dann kamen die Sommerferien und dann, im September, der Arger. Burroughs tötete seine Frau Joan. Ein Unfall. Aber wer weiß? Es gab viele Versionen, viele Gerüchte.«
    »Und wie lautet die Version deiner Mutter?«, hakte Morgado nach.
    »Sie war auf dem Fest nicht dabei. Du weißt schon. Diese besserwisserischen Gringos schüchterten sie ein. Außerdem war ihr Englisch nicht besonders. Sie mochte diese Treffen nicht. Sie fühlte sich gehemmt.«
    »Aber dein Vater ging schon hin, oder?«
    »Ja. Timothy erzählte meiner Mutter, Burroughs sei unerträglich, wenn er den Pistolenhelden gibt. Es gefiel ihm, seine Pistolen vorzuführen. Er glaubte, in Mexiko könne er tun, was er wolle. Und diesmal wollte er Robin Hood

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