Tijuana Blues
mehr und musste außerdem noch andere Ausgaben der Kanzlei Bernabés zahlen. Er sollte weitere dreitausend Dollar berappen, damit sie ihn nicht wieder einsperrten. Und weil Timothy einer der wenigen war, die ihn nicht im Stich gelassen hatten, wandte er sich an ihn. Erst bat er ihn, ihm Geld zu leihen, bis welches von seiner Familie aus den Vereinigten Staaten eingetroffen war. Dann versicherte er ihm, er werde eine große Summe für einen Roman bekommen, der bald veröffentlicht werde. Alles Lügen. Seine Familie kam nur wegen Joans Kindern, und der Roman wurde zwar veröffentlicht, aber erst viel später.«
»Hat deine Mutter, all das mitbekommen?«
»Ja. Sie war verängstigt. Dieser harsche, getriebene Mann, der immer wirkte, als würde er innerlich zittern, gefiel ihr nicht. Meine Mutter glaubte, alle Gringos, Timothy ausgenommen, seien verrückt. Und William Burroughs war der lebende Beweis, dass ihr Misstrauen gegenüber den Amerikanern berechtigt war.«
»Wie hat er deinen Vater überzeugt?«, wollte Morgado wissen.
»Nun, am Ende bat Burroughs ihn, nach Tijuana zu fahren. Er sagte, dort werde ein Freund meinem Vater das Geld übergeben, das er benötigte. Es war eine unbequeme Reise, aber Burroughs sagte, er werde für alles aufkommen.«
Morgado entschuldigte sich und ging auf die Toilette. Als er zurückkam, hatte Alfonso Keller Padilla sich den Luxus geleistet, eine weitere Runde Tequila zu bestellen.
»Wo waren wir stehen geblieben?«, fragte Morgado, der spürte, wie seine Zunge allmählich schwer wurde.
»Bei dem Gefallen für Burroughs. Der Mistkerl hat meinen Vater überredet und ihn nach Tijuana geschickt.«
»Und warum hat Burroughs Timothy nicht begleitet?«
»Das ging nicht. Er war auf Kaution frei und musste sich jeden Tag im Gefängnis melden. Wenn er einen Tag nicht aufgetaucht wäre, hätten sie ihn wieder eingesperrt.«
»Also hat er deinen Vater zur Grenze geschickt. Um Geld zu holen, sagst du.«
»Zum Teil. Das ist ja, was mich so wütend macht. Die Hinterhältigkeit von diesem Mörder. Denn er gab ihm ein Päckchen für Alan Brod, seinen Freund aus Tijuana, mit. Er sagte meinem Vater, es handle sich um persönliche Gegenstände. Oder so ähnlich.«
»Aber du glaubst, es war etwas anderes, nicht wahr?«
El Güero nickte, das Gesicht vor Zorn verzerrt.
Morgado mahnte ihn zur Ruhe: »Beruhige dich, du hast nichts davon, wenn du dich so in deine Wut hineinsteigerst.«
»Entschuldigen Sie, aber ich kann nicht anders. Ich verstehe nicht, wie mein Vater so blind sein konnte und keinerlei Verdacht schöpfte.«
»Also passierte er alle Kontrollen und kam an die Grenze«, spann Morgado die Geschichte weiter.
»Aber in Tijuana wurden sie geschnappt. So steht es in dem Zeitungsausschnitt. Sie töteten den anderen Gringo, und mein Vater konnte anscheinend fliehen. Aber wir haben nie mehr etwas von ihm gehört. Er kam nie zurück.«
»Wann war das?«
»Im Dezember 1951. Sieben Monate später wurde ich geboren.«
»Und jetzt willst du, dass ich deinen Vater finde«, schloss Morgado.
»Ich will nur wissen«, sagte El Güero mit bewegter Stimme, »was mit ihm passiert ist, wo er begraben ist.«
»Glaubst du nicht, dass er noch lebt?«
»Nein. Das glaube ich nicht. Wenn er noch lebte, hätte er Mittel und Wege gefunden, sich mit uns in Verbindung zu setzen. Meine Mutter hat ihr ganzes Leben im selben Haus verbracht. Ich bin mir ganz sicher, jeden Morgen, wenn sie das Gartentor öffnete, dachte sie, mein Vater würde vor ihr stehen. Früher oder später würde er nach Hause, zu uns, zurückkehren.«
Er sah Morgado eindringlich an. »Übernehmen Sie meinen Fall, Herr Rechtsanwalt?«
Der erhob feierlich das Glas und sagte: »Es ist eine historische Ermittlung, Güero. Und eine literarische. Eine Herausforderung.«
»Was heißt das?«
»Dass ich annehme. Aus reiner Neugier.«
»Wie viel Vorschuss verlangen Sie?«
Morgado nahm einen Schluck und lächelte. »Ein schönes Bücherregal, perfekt gebaut und lackiert.«
»Sonst nichts?«
Morgado zögerte nur ganz kurz. »Und ein Fläschchen Tequila. Fürs Erste.«
4
Aidé Grijalva war aufgebracht, aber seit Morgado sie kannte, war das der Normalzustand. Adrenalin war ihre tägliche Droge, ihr Sauerstoff.
»Was für Aufgaben du mir aufbürdest!«, platzte sie heraus.
»Die, auf die du dich verstehst«, erinnerte Morgado sie. »Du bist die beste Historikerin, die ich kenne. Du kennst die Geschichte von Baja California in- und
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