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Tijuana Blues

Tijuana Blues

Titel: Tijuana Blues Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriel Trujillo Muñoz
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mich Güero. Das passt zu mir.«
    Morgado fasste an seine Tasche. »Und dieser Umschlag? Was ist da drin?«
    Der Tischler ging mit seiner Last weiter und ließ Morgado auf eine Antwort warten. »Lesen Sie es, Herr Rechtsanwalt, und dann reden wir, wenn Sie wollen.«
    Die Stimme von Güero kam schon von weit oben. Nachdem er seine Mappen genommen hatte, ging auch Morgado weiter seines Weges. Er war hin und her gerissen zwischen den Landarbeitern und dem weißen Umschlag. Die Neugier ist eine schlechte Ratgeberin, dachte er, aber sie hält das Leben in Schwung.
    »Einen Cappuccino«, bestellte Morgado, während er den Umschlag öffnete und den Inhalt auf einen der Tische des El Péndulo entleerte.
    Sowohl die vergilbten, knisternden Papiere als auch die sepiafarbenen Fotos, die aus dem Umschlag fielen, sahen alt aus. Mindestens vierzig Jahre, dachte Morgado, als er die Kleider und die Mienen der Porträtierten ansah. Fünfzigerjahre, mit Sicherheit.
    Er nahm aus dem ganzen Haufen eine Fotografie heraus, sah sie sich genauer an, drehte sich um und fragte Mario, den Angestellten der Buchabteilung des Cafés, ob ihm die Gesichter nicht bekannt vorkamen.
    »Warum fragst du?«, wollte der Buchhändler wissen.
    »Weiß nicht«, antwortete Morgado. »Es scheinen keine gewöhnlichen Gesichter zu sein. Einen Moment lang habe ich geglaubt, eines von ihnen auf einer von diesen Postkarten berühmter Schriftsteller gesehen zu haben, die an der Kasse verkauft werden.«
    Der Buchhändler nahm das Foto mit zur Ladentheke und verglich es mit den Postkarten. Er war schnell wieder zurück.
    »Du hast ein gutes Gedächtnis, Miguel Ángel. Hier ist es.« Er zeigte ihm das Foto eines dünnen Mannes mit abgezehrtem Gesicht, der einen Anzug trug und in seinen Händen einen Revolver mit langem Lauf.
    »Und wer ist die Berühmtheit?«, fragte Morgado.
    »William S. Burroughs. Ein amerikanischer Schriftsteller. Man verbindet ihn mit der beat generation. Er hat überall auf der Welt gelebt. Er ist bekannt für seine Romane über die Welt der Drogen und wegen diverser Formen sexueller Perversion. Er ist ein Symbol für die Gegenwartsliteratur und -kunst der Gringos. Viele junge Schriftsteller folgen ihm. Und auch viele Rockmusiker.«
    »Und für was steht das ›S‹?«
    Mario runzelte die Stirn und ging hinüber zu den Regalen mit den Werken ausländischer Romanciers. »Für Seward. Wir haben ein paar Bücher von ihm. Naked Lunch, Nova Express und Cities of the Red Night. «
    Morgado sah sich das Foto an, das El Güero ihm gegeben hatte: Drei Männer und eine Frau standen Arm in Arm vor einer typischen mexikanischen Kneipe: Burroughs, ein junger muskulöser Mann, ein untersetzter Gringo, dem der Anzug zu weit war, und eine blutjunge Mexikanerin, die den jungen Mann umarmte.
    »Wo hast du das Foto her?«, fragte ihn der Buchhändler.
    »Es gehört zu einem Haufen Zeitungsausschnitte und Papiere, die man mir gerade übergeben hat.«
    »Ich dachte, du bist Anwalt und nicht Literaturwissenschaftler. Bist du am Colegio de México oder an der UNAM?«
    »Ich betrete gerade unbekanntes Gelände.«
    Mario sah sich die anderen Fotos an und war überrascht, was er da sah. »Schau dir die Hübschen an«, sagte er in feierlichem Ton und reichte Morgado ein paar Fotos. »Das sind Allen Ginsberg, der berühmteste Dichter der Beat-Generation, und Jack Kerouac, der On the Road geschrieben hat, eine Art Chronik von Vagabunden, die über die Highways der Vereinigten Staaten düsen. Aber dieses Foto sagt mir nichts, ich weiß nicht, wer das ist. Auch wenn sie beide wie Latinos aussehen.«
    Morgado sah sich das besagte Foto an. Die zwei Männer sahen unheimlich aus, als wären sie einer Szene aus Der Pate entsprungen. Einer war so dürr wie Burroughs, der andere wirkte selbstzufrieden und hatte einen aggressiven Blick. Beide trugen maßgeschneiderte Nadelstreifenanzüge.
    »Der sieht aus wie ein streitwütiger Anwalt«, sagte der Buchhändler und nahm Morgado damit den Satz aus dem Mund.
    »Und der andere? Sieht nicht wie ein Anwalt aus. Er erinnert mich an die Gangster in den Filmen von Juan Orol.«
    Morgado sah sich noch weitere Fotos an. Ein Kunde kam in das Buchcafé, und Mario bediente ihn. Wenige Minuten später kam er wieder mit einem Buch in der Hand. »Hier. Da kannst du dich ein wenig bilden. Es ist eine Biografie von Burroughs. Sie ist alt, aber sie kann dir nützen. Es gibt ein paar Kapitel über seine Reisen durch die Welt und über seinen Aufenthalt in

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