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Tijuana Blues

Tijuana Blues

Titel: Tijuana Blues Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriel Trujillo Muñoz
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an. Ein kleines Mädchen bediente ihn ein wenig linkisch. »Wo ist denn der Besitzer?«
    »Ist kurz weg. Kommt gleich zurück.«
    »Und der Mann im Rollstuhl?«
    »Ist auch kurz weg. Er muss gleich wieder da sein.«
    Er holte den Fünfzig-Dollar-Schein wieder hervor und reichte ihn dem Mädchen. »Einen Hotdog, bitte.«
    »Ich habe kein Kleingeld.«
    Morgado kümmerte das nicht. Er nahm seinen Hotdog und packte genau die Menge an Ketchup, Senf, Tomaten und Zwiebeln drauf, die er schon als kleiner Junge gerne gemocht hatte.
    »Behalt das Wechselgeld«, sagte er und marschierte fröhlich von dannen, wie ein Tourist unter den blinkenden Lichtern der Avenida Revolución.
     
11
     
    »Wie geht es dir, Gringo?«
    »Besser als dir, Morgado«, erwiderte Harry Dávalos, FBI-Agent, Ex-Agent der DEA, Freund und Feind.
    In der Cafeteria des Hotel Lucerna zeigte die Uhr zehn nach neun abends an.
    »Und wie läuft es in Mexico City?«
    »Gut. Wir sind kurz davor, den ersten Platz für öffentliche Demonstrationen im Guinness-Buch der Rekorde zu erobern. Und in Los Angeles?«
    Harry Dávalos machte eine Geste mit der Hand, die besagen sollte, wie immer. »Weder gut noch schlecht«, antwortete er.
    »Und die Erdbeben?«
    »Die weißen Herrenmenschen sagen, noch drei Beben dieser Größenordnung, und das Problem der Illegalen in Kalifornien hat sich erledigt. Viele Mexikaner sind geflohen.«
    »Auch viele Weiße.«
    »Komm, Morgado. Heute komme ich mit der weißen Fahne. In friedlicher Mission.«
    »Das haben sie auch zu Geronimo gesagt, und du siehst, wie es ihm ergangen ist.«
    »Und ihr Mexikaner sagt das zu den Indios von Chiapas«, konterte Harry, »und du siehst, wie es ihnen ergeht. Ihr lernt auch nichts dazu. Und du am allerwenigsten, nicht wahr?«
    Morgado musste anerkennen, dass dem so war. Für jede Lektion, die er gelernt hatte, fiel er in drei anderen durch. Also wechselte er schnell das Thema. »Magst du Tijuana, Harry?«
    »Mehr als dein Mexicali, ja. Aber ich würde hier nicht arbeiten wollen. Schlipfriges Terrain.«
    »Schlüpfriges.«
    »Meine ich ja. Du kannst niemandem vertrauen. Und die Lage gerät hier leicht außer Kontrolle. Tijuana ist Wasser zwischen den Händen. Du versuchst es zu fassen, und es läuft dir davon.«
    »Man hat mir versichert, die Stadt sei auf dem aufsteigenden Ast, ein Industrie- und Wirtschaftszentrum, die Stadt der Zukunft.«
    »Ja. Aber man hat dir nicht gesagt, welche Industrien hier am meisten blühen. Nur ein paar: Industriespionage und Giftmüll, Religionen und Kulte, von der Kirche des gekreuzigten Außerirdischen bis hin zum kosmischen Vampir. Dazu Organhandel, Waffenschmuggel und Mietkiller und natürlich die ehrwürdigsten von allen: Fluchthilfe, Drogenhandel und Prostitution im ganz großen Stil. Das alles macht Tijuana zu einem gewichtigen Faktor auf dem weltweiten Kapitalmarkt. Das musst du sehen. Tijuana ist das Las Vegas der Dritten Welt. Das erste Experiment dieser Art, zusammen mit Shanghai und Marseille. Hier wird dir nie langweilig.«
    »Und unsere Geschichte, Harry?«
    »Unsere? Es ist wohl eher deine.«
    Harry holte ein Papier hervor und übergab es Morgado. Der faltete es auf und las die Informationen: »Alan Brod Jenkins, geboren in Tucson, Arizona, 19. Januar 1916. Gestorben bei einem Schusswechsel in Tijuana, am 8. Dezember 1951. Kleindealer. Bagatelldiebstähle. Verbindung mit radikalen Gruppen im Gebiet San Francisco. Gehörte nicht der Kommunistischen Partei an. War Teil des panamesischen Heroinringes. Von 1949 bis 1951.«
    »Das ist aber spärlich.«
    »Man kann dir nur das geben, was du sehen darfst. Und nur weil ich ein gutes Wort für dich eingelegt habe.«
    »Bestell noch ein Bier, Harry. Für den großzügigen Gefallen, den du mir getan hast.«
    Morgado las weiter: »Dave Tercerero. Händler und Verteiler in den Vereinigten Staaten, Mexiko und Mittelamerika. Gehörte zum panamesischen Heroinnetz. Informant der mexikanischen Polizei und des FBI. Er starb am 20. Dezember 1951 in Tijuana. Ermordet in seinem Hotel. Der Täter wurde nie ermittelt. Schleuste sich in den Vierzigerjahren in radikale Gruppen ein.«
    Und schließlich tauchte das Gespenst auf: »Timothy Keller. Geboren in San Francisco 1924. Aus der Army desertiert. Des Raubes überführt. Steht in Verbindung mit dem Tod von Alan Brod und Dave Tercerero. Wurde 1951 zu zwanzig Jahren Gefängnis wegen Drogenhandels verurteilt. Das Urteil wurde in eine zehnjährige Haftstrafe umgewandelt, nachdem er

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