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Tijuana Blues

Tijuana Blues

Titel: Tijuana Blues Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriel Trujillo Muñoz
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zuvor mit dem FBI zusammengearbeitet hatte. Derzeitiger Wohnsitz: 547 Magnolia Street, La Jolla, Kalifornien. Heutiger Name: Thomas Kaul. Alle vorhergehenden Daten sind vertraulich.«
    Harry zog Morgado den Zettel aus den Händen und zerriss ihn in tausend Einzelteile. »Ich hoffe, du hast ein gutes Gedächtnis«, sagte er.
    »Du kannst ganz beruhigt sein.«
    »Bist du mit dem FBI-Express-Heimlieferservice zufrieden?«
    »Das bin ich. Mein Phantom ist ein Informant der Regierung, ein Spion. Ganz schön viele Masken, nicht wahr?«
    »Die üblichen, Kollege.«
    Harry setzte sein freundlichstes Lächeln auf. Morgado tat dasselbe. Zwei einsame Steppenwölfe vor ihrem Bier. Zwei Freunde, die vergeblich versuchten, aufrichtig zueinander zu sein.
     
12
     
    Es war ein ruhiges Gebiet, mit riesigen Häusern hinter hohen Mauern. Nur wenige Fußgänger waren auf den sauberen, gepflegten Bürgersteigen unterwegs. Dafür sah man umso mehr Fahrräder und langfellige Hunde. Kein Einkaufszentrum in der Nähe, und auch keine Fastfood-Restaurants. Morgado fühlte sich hilflos, als er keinen Jack in the Box und keinen McDonald’s ausmachen konnte. Er hätte sich ja auch mit einem Wendy’s zufrieden gegeben. Anscheinend hatte hier die Privatsphäre die Schlacht gegen den Kommerz; gewonnen. Aber das sah nur so aus. Überall waren winzig kleine, auf exotische Speisen spezialisierte Restaurants: thailändisch, indisch, jemenitisch, jüdisch oder persisch.
    Leobardo fuhr sein Auto, das ebenso mit Zeitungen, CDs, Videokassetten und Zeitschriften voll gestopft war wie sein Büro, zur Nummer 547 der Magnolia Street. Das Haus war beeindruckend. Ein Holztor und eine zwei Meter hohe, schneeweiße, kahle Mauer. Morgado stieg aus und klingelte an der Festung. Leobardo gesellte sich zu ihm, und da standen sie nun wie zwei Obdachlose in Erwartung eines Aktes der Barmherzigkeit.
    Das Wunder schien konkret Gestalt anzunehmen, als ein blonder junger Mann mit langen Haaren und einem Surfbrett unter dem Arm durch das Tor kam. Als er die beiden sah, ging er in Verteidigungsstellung und hielt das Surfbrett wie einen Schutzschild hoch. » What do you want? « , fragte er gespielt wütend.
    Leobardo überraschte den Surfer ebenso wie Morgado, als er in feinstem Oxford-Englisch antwortete: » We are members of the Tijuana Metro magazine. We’d like to talk to Mister Thomas Kaul. He is waiting for us. Could we pass, please? «
    Der Surfer schaute ein wenig unentschlossen, trat dann aber zur Seite. » The old man is in the Swimmingpool. In the south corner of the house « , instruierte er sie im Hinausgehen.
    Morgado und Leobardo betraten den äußerst gepflegten Garten und folgten den Anweisungen. Aber noch bevor sie zum Pool kamen, hatten sie plötzlich freie Sicht auf die Bucht von San Diego. Sie blieben einen Moment stehen und betrachteten das silbrige Meer mit den hohen, gefährlichen Wellen, dem Magellan trotzig den Namen Pazifik gegeben hatte.
    Als sie sich vom Zauber des Ozeans losreißen konnten, gingen sie über einen Betonweg zum Pool hinunter: ein bläuliches Oval, an dem ein alter Mann in einem schwarzen Bademantel und Sandalen saß.
    »Are you Mister Thomas Kaul?«, fragte Leobardo.
    Der Mann hob die Hand zum Gruß, als wären sie uralte Freunde.
    » Do you speak Spanish, Mister Kaul? « , fragte Morgado, und ging auf ihn zu.
    »Ja«, erwiderte der alte Mann, und als sie fast vor ihm standen, zielte er mit einer Pistole auf sie. »Keine Bewegung. Don’t move, amigos. «
    Drei ebenfalls bewaffnete Männer kamen aus dem Haus und filzten sie sorgfältig von Kopf bis Fuß.
    »Echte Profis«, stellte Morgado fest.
    » Nothing, Mister Kaul « , sagte der Kräftigste von den Bodyguards. » They are clean. «
    Der alte Mann nahm die Pistole herunter und setzte sich wieder hin. »Wer hat Sie ins Haus gelassen?«, fragte er.
    »Ein Surfer«, sagte Leobardo.
    »Mein Sohn!«, explodierte der alte Mann, als hätte er sich das schon gedacht. »Mein dummer Sohn!«
    Morgado holte seine Brieftasche heraus und zeigte ihm die mitgebrachten Fotos. »Erkennen Sie diese Leute, Mister Keller?«
    Der alte Mann schaute auf und blinzelte verwirrt. Aber seine Selbstbeherrschung sorgte dafür, dass er nicht die Deckung herunternahm. Es zitterten ihm nicht einmal die Hände, als er die Fotos eines nach dem anderen ansah. »Der da bin ich«, flüsterte er, »vor langer, vor allzu langer Zeit.«
    »Deshalb sind wir hier«, erklärte Morgado. »Um von anderen Zeiten zu

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