Till Eulenspiegel
Ordnung“, sagte der andere. Und dann hoben sie die Körbe der Reihe nach hoch. Der schwerste war natürlich der, in dem Eulenspiegel lag. Und deshalb nahmen sie den, luden ihn sich auf die Schultern, schleppten ihn aus dem Garten auf die Straße hinaus und wanderten stöhnend und schwitzend ihrem Dorf zu.
Eulenspiegel war natürlich aufgewacht und ärgerte sich, daß ihn die beiden Kerle geweckt hatten und nun auch noch nachts in ein Dorf schleppten, in dem er gar nicht wohnte.
Als sie ihn so eine Weile getragen hatten, griff er vorsichtig aus dem Bienenkorb heraus und zog den Vorderen furchtbar an den Haaren.
„Aua“, schrie der Dieb. „Bist du denn ganz verrückt geworden?“
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Er dachte selbstverständlich, der andere Dieb sei es gewesen und schimpfte schauderhaft.
Der andere wußte nicht, was los war, und sagte: „Du bist wohl übergeschnappt? Ich schleppe an dem Bienenkorb wie ein Möbelträger, und du bildest dir ein, ich hätte Zeit und Lust, dich an den Haaren zu ziehen! Zu dumm!“
Eulenspiegel amüsierte sich königlich, und nach einer Weile rupfte er den Hintermann am Haar, und zwar derartig, daß ihm ein Büschel Haare in der Hand blieb.
„Nun wird mir’s aber zu bunt!“ brüllte der Dieb. „Erst träumst du, ich hätte dich an den Haaren gezogen. Und nun reißt du mir fast die Kopfhaut runter! So eine Frechheit!“ „Blödsinn!“ knurrte der andere. „Es ist so dunkel, daß ich die Straße kaum sehen kann, und ich halte den Korb mit beiden Händen fest, und da soll ich noch hinter mich greifen und dir Haare herausziehen können? Bei dir piept’s ja!“ Sie stritten, fluchten und ächzten, daß Till Eulenspiegel beinahe laut gelacht hätte.
Aber das ging natürlich nicht. Statt dessen riß er, fünf Minuten später, den Vordermann derartig am Haar, daß der mit dem Schädel an den Bienenkorb krachte, den Korb fallen ließ, sich umdrehte und dem Hintermann wütend mit beiden Fäusten ins Gesicht schlug.
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Nun ließ auch dieser Dieb den Korb fallen und warf sich mit aller Wucht auf den Vorderen. Im nächsten Augenblick lagen beide am Boden und rangen und schlugen und kratzten sich, bis sie schließlich so übereinander wegpurzelten, daß sie, so wütend waren sie, sich im Dunkel überhaupt nicht wiederfanden. Eulenspiegel aber blieb gemütlich in seinem Korb liegen und schlief weiter, bis ihn am Morgen die Sonne weckte. Dann stand er auf und ging seiner Wege. Er kehrte übrigens nicht zu seiner Mutter zurück, sondern verdingte sich bei einem Raubritter als Reitknecht. Obwohl er gar nicht reiten konnte! So ist es kein Wunder, daß ihn der Ritter sehr bald aus seiner Burg hinauswarf.
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4. WIE EULENSPIEGEL DIE KRANKEN HEILTE
Es stimmt schon. Wer als Kind ein rechtes Radieschen war, wird als Erwachsener immer schlimmer. Noch dazu, wenn der Vater zu früh wegstirbt. So war es auch mit Till Eulenspiegel. Er trieb es von Jahr zu Jahr toller.
Er wechselte die Berufe öfter als das Hemd. Und da er nirgends lange bleiben konnte, weil man ihn sonst verkehrt aufgehängt oder wenigstens halbtot geschlagen hätte, kannte er, kaum daß er zwanzig Jahre alt war, Deutschland wie seine Westentasche. So kam er auch nach Nürnberg. Und hier trieb er’s ganz besonders bunt.
Er klebte an die Kirchentüren und ans Rathausportal Plakate, auf denen er sich als Wunderdoktor ausgab. Es dauerte auch gar nicht lange, da kam der Verwalter vom Krankenhaus zum Heiligen Geist anspaziert und sagte:
„Sehr geehrter Herr Doktor! In unserem Spital liegen so viele Kranke, daß ich mir nicht mehr zu helfen weiß. Alle Betten sind belegt, und das Geld reicht vorn und hinten nicht. Können Sie mir keinen Rat geben?“
Eulenspiegel kratzte sich hinterm Ohr und antwortete:
„Doch, doch, lieber Mann. Aber guter Rat ist teuer.“
„Wieviel?“ fragte der Verwalter.
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Und Eulenspiegel sagte: „Zweihundert Gulden.“
Zunächst blieb dein guten Mann die Luft weg. Und dann erkundigte er sich, was der Herr Doktor Eulenspiegel dafür leisten wolle.
„Dafür mache ich in einem einzigen Tag alle Kranken gesund, die im Hospital liegen! Wenn mir’s nicht gelingen sollte, will ich keinen Pfennig haben.“
„Ausgezeichnet!“ rief der Mann, nahm Eulenspiegel auf der Stelle mit ins Krankenhaus und sagte den Kranken, der neue Doktor wolle sie alle heilen. Sie müßten sich nur genau nach seinen Vorschriften richten.
Dann ging er ins Verwaltungsbüro und ließ Till mit den Kranken allein. Eulenspiegel ging
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