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Tim Burton: Der melancholische Magier. Mit einem Vorwort von Johnny Depp (German Edition)

Tim Burton: Der melancholische Magier. Mit einem Vorwort von Johnny Depp (German Edition)

Titel: Tim Burton: Der melancholische Magier. Mit einem Vorwort von Johnny Depp (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Burton , Mark Salisbury
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kommerziell angelegt sind und nichts Individuelles an sich haben, brauche ich einen persönlichen Bezug. Und wenn es nur ein bestimmtes Gefühl ist. Man investiert so viel in diese Filme, da muss es etwas geben, womit mansich identifizieren kann. Und die Hauptfigur in VINCENT ist mir tatsächlich sehr ähnlich. Ich habe oft zu hören bekommen: »Das bist doch du, Tim.« Aber was soll ich darauf sagen? Darüber denke ich nicht nach. Zu intellektuell darf man an die Sache meiner Meinung nach nicht rangehen. Man verliert sonst jede Spontaneität. Wenn man zu viel über etwas nachdenkt, geht es meistens in die Hose. Ich finde, VINCENT spricht für sich. Der Film ist bei aller Ambivalenz und Offenheit in sich rund. In Hollywood wollen die Leute immer alles so klar wie möglich haben. Sie mögen es nicht, wenn etwas in der Schwebe bleibt. Mir dagegen gefällt das sehr gut.

    Vincent in seiner Fantasiewelt
    Das expressionistische Set-Design und die Einstellungen des Films erinnern an Robert
Wienes Das Cabinet des Dr. Caligari.
    Natürlich hatte ich Bilder davon gesehen, den Film selbst kannte ich allerdings noch nicht. Ich glaube, die Inspiration kam eher von denKinderbüchern von Dr. Seuss. Außerdem wurde der Film in Schwarz-Weiß gedreht und hat diesen Vincent-Price-Gothic-Touch. Die Bücher von Dr. Seuss habe ich immer sehr gemocht. Der Rhythmus der Geschichten hat mich stark angesprochen. Seine Bücher sind einfach perfekt: genau die richtige Anzahl von Wörtern, der richtige Rhythmus, wunderbar subversive Geschichten. Für mich ist er der großartigste Kinderbuchautor überhaupt. Wahrscheinlich hat er zahllosen Kindern das Leben gerettet, und niemand wird je davon erfahren.
    Der Erzähler in VINCENT ist Burtons Kindheitsidol Vincent Price. Der Film stellte den Anfang einer Freundschaft zwischen dem Regisseur und dem Schauspieler dar, die bis zu Prices Tod im Jahr 1993 andauern sollte.

    Wir haben Vincent Price die Storyboards geschickt und ihn gebeten, als Erzähler mitzuwirken. Er war einfach fantastisch. Vermutlich war das eines der prägendsten Erlebnisse in meinem Leben. Wer weiß schließlich vorher, wie so etwas laufen wird? Kann sein, man hat einen bestimmten Eindruck von jemandem, und wenn man ihm dann leibhaftig begegnet, sagt er: »Lass mich bloß in Ruhe. Ich will nichts mit dir zu tun haben.« Aber er war wirklich wunderbar und sehr interessant als Mensch, gerade auch was seine künstlerischen Vorlieben betrifft. Und er war sehr entgegenkommend. Ich hatte immer das Gefühl, dass er genau wusste, worum es in dem Film geht, sogar mehr noch als ich. Er begriff, dass es nicht nur einfach eine Hommage war, nach dem Motto: »Oh, Mr Price, ich bin ihr größter Fan.« Er verstand die Psychologie des Films, was mich wirklich erstaunt hat. Ich hatte das Gefühl, auf dem richtigen Weg zu sein. Endlich einmal hat mich jemand als das gesehen, was ich bin, und mich trotzdem akzeptiert.
    Es nicht leicht, jemandem zu begegnen, den man seit seiner Kindheit verehrt und der einen stark beeinflusst hat. Besonders, wenn man ihm etwas schickt, das ein bisschen infantil und kitschig wirkt undworin dieser Einfluss ganz klar zu erkennen ist. Aber er war einfach großartig. Genau das braucht man, um weiterzumachen. Das baut einen auf. Besonders wenn man schon an zu viele zwielichtige Gestalten geraten ist. Er war nicht einfach nur nett, er schien zu begreifen, worum es geht. Natürlich gibt es Gründe, warum einen bestimmte Menschen auf der Kinoleinwand besonders ansprechen – sie strahlen etwas aus, was über ihre Filmrolle hinausgeht.
    VINCENT lief zwei Wochen in einem Kino in Los Angeles, zusammen mit dem Teeniefilm Tex mit Matt Dillon in der Hauptrolle. Bevor der Film im Archiv von Disney verschwand, wurde er noch auf Festivals in London, Chicago und Seattle gezeigt und von den Kritikern sehr positiv aufgenommen. Er gewann zwei Preise, einen in Chicago und den Kritikerpreis des Festival d’Animation Annecy in Frankreich.
    Die Leute bei Disney waren mit VINCENT zufrieden, wussten jedoch nicht recht, was sie mit dem Film machen sollten. Dort werden ständig Filme für 30 Millionen Dollar gedreht. So ein fünfminütiger Kurzfilm fällt da ziemlich aus dem Rahmen. Ich war sehr froh, ihn gemacht zu haben. Etwas fertigzubekommen hat immer eine kathartische Wirkung. Und die Zuschauer mochten ihn. Trotzdem war es ein bisschen seltsam, weil Disney zwar zufrieden damit war, sich aber gleichzeitig auch irgendwie dafür geschämt hat.

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