Tim Burton: Der melancholische Magier. Mit einem Vorwort von Johnny Depp (German Edition)
exzentrisches Wesen etwas besser kennenzulernen.
Willy Wonka (Johnny Depp) mit Charlie (Freddie Highmore) im Fernsehraum
Das Schokoladenparadies mit den Oompa Loompas
Liccy hat mir einige Manuskripte von ihm gezeigt. Ich war sehr beeindruckt, weil er alles mit der Hand geschrieben hat. Die ursprüngliche Version von CHARLIE war noch weniger politisch korrekt als das gedruckte Buch. Zum Beispiel gab es darin noch fünf andere Kinder, von denen eines sogar »Herpes« hieß.
Bei der Arbeit an einem Film ist so eine Hintergrundrecherche allerdings nur in emotionaler Hinsicht nützlich. Sie hat mir bestätigt, was ich bereits wusste, nämlich dass Dahl ein interessanter, exzentrischer und kreativer Mensch war. Was auch der Grund dafür ist, dass seine Geschichten so beliebt sind. In seinen Werken findet sich viel von ihm selbst wieder. Es zeigt einem, wie kraftvoll eine Erzählung werden kann, wenn jemand wirklich Herzblut hineinsteckt.
Burton und Dahl schienen wie füreinander geschaffen – zwei eigenwillige, kreative Künstler mit einer ähnlich düsteren und makabren Fantasie. Helena Bonham Carter erinnert sich, einmal einen Dokumentarfilm über Dahl gesehen und mit Überraschung festgestellt zu haben, wie viele Ähnlichkeiten es zwischen ihm und Burton gibt. »Viele von Dahls Ansichten könnten auch von Tim stammen. Einiges hat er so oder ähnlich sogar schon mal zu mir gesagt. Was den Mangel an politischer Korrektheit und den schwarzen Humor betrifft, sind die beiden durchaus vergleichbar. Dahl hat zum Beispiel gesagt, Kinder seien kleine Wilde – was auch Tims Worte sein könnten. Tims Filme werden meist von Kindern am besten verstanden. Und von Erwachsenen, die im Inneren Kind geblieben sind.«
Gruselige und gefährliche Dinge faszinieren Kinder. Dadurch werden Kreativität und Entwicklung angeregt. Manche Kinder sind sehr nett – aber wir waren alle mal in der Schule und wissen, dass Kinder auch richtig gemein zueinander sein können. Ich weiß nicht, ob Dahl Kinder mochte. Auf jeden Fall war er in der Lage, ihnen auf Augenhöhe zu begegnen. Er hat nie auf sie hinabgeblickt. Das Buch ist nicht umsonst ein Kinderbuchklassiker – es spricht Kinder an, es gibt ihnen etwas.
Wie bei seinen anderen Filmen fand Burton auch in Dahls Buch einige persönliche Bezüge.
Thematisch ist der Bezug zum Material für mich ähnlich gelagert wie bei BATMAN , EDWARD MIT DEN SCHERENHÄNDEN oder ED WOOD . Wonka ist jemand, der außerhalb der Gesellschaft steht, Schwierigkeiten hat, mit anderen zu kommunizieren, in seiner eigenen Welt lebt und eine problematische Kindheit hatte. Er fürchtet sich vor menschlichem Kontakt – was an Edward mit den Scherenhänden erinnert.
In der Figur Charlie habe ich dagegen mich selbst während meiner Schulzeit wiedererkannt. Er ist jemand, der stets im Hintergrund und dadurch niemandem in Erinnerung bleibt. Was mir an Charlie gefällt, ist seine Offenheit und Ungekünsteltheit. Er ist die positive Seite meines Ichs, während Willy die kompliziertere, aber vermutlich stärker ausgeprägte ist …
Es ist verlockend, eine Parallele zwischen Willy Wonka, dem visionären Süßwarenhersteller, und Burton, dem Filmemacher, zu sehen. Ersterer lässt seiner Fantasie freien Lauf, um in seiner Fabrik eine Welt aus Süßigkeiten zu erschaffen, während Letzterer komplexe fantastische Welten auf Film bannt.
Ja, und manchmal auf scheinbar bedeutungslose und abstrakte Weise. Im Laufe der Jahre musste ich mir schon öfter den Vorwurf anhören, ich würde sinnlose Dinge machen. Ich kann mich mit Wonka also sehr gut identifizieren …
Die Figur Willy Wonka strahlt auch einen kindlichen Enthusiasmus aus, als sei sie nie erwachsen geworden – was wiederum an Ed Wood erinnert.
Ja, Willy ist für mich der Citizen Kane oder Howard Hughes der Süßwarenindustrie – jemand, der absolut brillant ist, aber ein Trauma erlitten und sich daraufhin in seine eigene Welt zurückgezogen hat. Ich glaube, es gibt viele kreative Menschen, denen es ähnlich ergangen ist. Voller Enthusiasmus widmen sie sich ihrer Kunst, egal ob nun jemand etwas damit anfangen kann oder nicht.
Bei der Adaption gab John August Wonkas exzentrischem Verhalten eine psychologische Grundlage. Es geht dabei vor allem um Wonkas schwie r ige Beziehung zu seinem Vater, einem Zahnarzt, der im Film von Christopher Lee gespielt wird.
Das ist ein Handlungselement, das wir uns für den Film neu ausgedacht haben. Man erfährt etwas mehr über Wonkas
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