Tim Burton: Der melancholische Magier. Mit einem Vorwort von Johnny Depp (German Edition)
Haarschnitt, dem Bärtchen und den Koteletten. Im Nachhinein fragt man sich, was das eigentlich für seltsame Gestalten waren. Aber diese Sendungen haben mich stark geprägt. Wir haben deshalb versucht, eine Mischung aus all diesen abgefahrenen Typen hinzubekommen.
Burton und Johnny Depp im Gespräch am Set von CHARLIE
An einen Film von Tim Burton werden inzwischen bestimmte Erwartungen gestellt, besonders wenn Johnny Depp mitspielt.
Ja, das kann durchaus problematisch sein. Am Anfang der Karriere hat man zwar Schwierigkeiten, ein Projekt ins Rollen zu bringen, aber dafür genießt man absolute Freiheit, weil niemand irgendwelche Erwartungen an einen stellt. Es macht Spaß, die Leute zu überraschen. Das wird schwieriger, wenn sie schon bestimmte Erwartungen haben – zumal die bei jedem ein bisschen anders ausfallen, weil die Menschen so verschieden sind. Das macht es schwer, ihnen gerecht zu werden.
Obwohl Wonka recht kindlich wirkt, hat er auch etwas Furchterregendes an sich.
Auch das geht auf die Kindersendungen in meiner Jugend zurück. Ich erinnere mich, dass ich bei einer Geburtstagsfeier – ich weiß nicht mehr, wie alt ich war – einmal die Sendung mit Chucko, dem Geburtstagsclown, gesehen habe und sich mir die Zehennägel hochgerollt haben. Eine unvergessliche Erfahrung.
Normalerweise fertigt Burton im Vorfeld Skizzen von den Figuren in seinen Filmen an. Die Figur Wonka bereitete ihm jedoch große Schwierigkeiten.
Es war nicht leicht, diese Figur zu skizzieren. Sie wird zwar im Buch beschrieben, aber man kann sich nur schwer vorstellen, wie man sie in einem Film zum Leben erwecken könnte. Sie ist ziemlich abstrakt. Batman zum Beispiel ist in seinem Aussehen relativ festgelegt – egal ob man ihm nun Brustwarzen gibt oder ihn ganz in Schwarz zeichnet, er ist und bleibt eine Kultfigur. Ich habe mich gefragt, ob das bei Willy Wonka ähnlich ist, ob die Leute ein bestimmtes Aussehen vor Augen haben – Wonka mit Zylinder, lila Anzug, beigefarbenen Hosen und einer großen Fliege, wie in dem Film mit Gene Wilder – oder ob das keine große Rolle spielt.
Im Buch besitzt die Figur auch eine bestimmte Eleganz, die wir gern erhalten wollten. Ich dachte, dass dunkle Violetttöne und Paisleymuster zu ihm passen könnten, mit einem leichten 60er-Jahre-Touch. Dann hätte er immer noch ein bisschen was von der klassischen Figur.Er erinnert an das Phantom der Oper. Er versteckt sich, lebt in seiner eigenen Welt und ist deshalb nicht unbedingt modern gekleidet. Darüber hinaus haben wir ihm auch eine etwas antiquierte Sprache gegeben – wie jemand, der den Kindern gegenüber hip sein möchte, es aber eigentlich nicht ist.
Augustus Glupsch wird aus dem Schokoladenfluss gesaugt
Johnny Depp als Wonka trägt den gleichen lilafarbenen Anzug und den Zylinder wie Gene Wilder in der Erstverfilmung. Darüber hinaus wird sein Kostüm aber noch durch eine seltsame Beatles-Perücke, perfekte Zähne, eine Brille mit großen Gläsern und Latexhandschuhe ergänzt.
Leute, die als Genies gelten, sind meist ein bisschen verrückt. Auch wenn sie in mancher Hinsicht brillant sind, haben sie ihre blinden Flecken. Man trifft öfter Leute, die in bestimmten Bereichen unheimlich kreativ sind, in anderen aber große Defizite aufweisen. Und wenn man wie Wonka ständig nur von einem Haufen Oompa Loompas umgeben ist, kann man schon ein bisschen merkwürdig werden.
Wonka wurde als Citizen Kane der Süßwarenindustrie zu einem Mythos und hat sich dann von der Welt zurückgezogen. Er lebt im Verborgenen, hat keinen Kontakt zur Wirklichkeit. Seine Frisur geht auf einige Figuren aus den frühen Kindersendungen zurück – Captain Kangaroo oder The Pancake Man. Was die Brille betrifft – sie deutet darauf hin, dass er sich vor der Außenwelt versteckt. Und die Handschuhe verweisen auf Wonkas Schwierigkeiten, mit anderen Menschen in Kontakt zu treten. Und auf die Beziehung zu seinem Vater.
Für die Rolle des Charlie Bucket engagierte Burton Freddie Highmore, der schon in dem Film Wenn Träume fliegen lernen an der Seite von Johnny Depp gespielt hatte.
Den Film Wenn Träume fliegen lernen hatte ich nicht gesehen. Ich muss mich bei Johnny wohl mal nach Freddie erkundigt haben. Als Susie Figgis, die Casting-Direktorin, und ich ihn kennenlernten, waren wir sofort begeistert. Wir wussten einfach, dass er der Richtige für die Rolle ist. Warner Bros. hatte einige Bedenken wegen der Figur. Wir brauchten deshalb jemanden, der einen gewissen Ernst
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