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Timbuktu

Timbuktu

Titel: Timbuktu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Auster
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ließen.
    Langsam ging die Sonne unter. Am Himmel standen Streifen rosiger Wolken, und die Luft war merklich abgekühlt. Nun da das Herumgetolle zu Ende war, sah es ganz so aus, als seien Dick und Polly zu einem Urteil gekommen. Mr. Bones lag keuchend mit den beiden Kindern im Gras und sah, wie sich die Erwachsenen vom Haus abwandten und wieder in den Garten kamen; zwar war ihm nicht klar, ob sein wilder Temperamentsausbruch irgendeine Auswirkung auf das Ergebnis gehabt hatte, aber das zufriedene kleine Lächeln in Pollys Mundwinkeln machte ihm Mut. »Daddy meint, Sparky kann bleiben«, sagte sie, und als Alice aufsprang, ihren Vater umarmte und Polly sich hinabbeugte und den schläfrigen Tiger in die Arme nahm, begann ein neues Kapitel in Mr. Bones’ Leben.
    Doch bevor die Sektkorken knallten, kam Dick noch mit ein paar Bedingungen - dem Kleingedruckten sozusagen. Nicht daß er nicht alle glücklich machen wolle, sagte er, aber für den Augenblick müsse klar sein, daß sie den Hund nur »probehalber« aufnahmen, und wenn nicht gewisse Bedingungen erfüllt würden - hier warf er Alice einen langen, eindringlichen Blick zu -, werde die Sache platzen. Erstens: Unter keinen Umständen dürfe der Hund ins Haus. Zweitens: Er müsse zum Tierarzt und gründlich untersucht werden. Drittens: Bei nächster Gelegenheit werde man einen Termin bei einem Hundesalon machen. Der Hund müsse Fell und Nägel geschnitten bekommen und gewaschen werden, und eine gründliche Untersuchung auf Zecken, Läuse und Flöhe sei erforderlich. Viertens: Er müsse kastriert werden. Und fünftens: Alice sei dafür verantwortlich, ihn zu füttern und das Wasser in der Trinkschale zu wechseln - woraus sich keineswegs ableite, daß sie für ihre Dienste ein höheres Taschengeld bekommen werde.
    Mr. Bones hatte nicht die leiseste Ahnung, was »kastrieren« hieß, aber alles andere verstand er, und im großen und ganzen klang es gar nicht so schlecht, abgesehen vielleicht vom ersten Punkt, daß er nicht ins Haus durfte, denn er begriff nicht, wie ein Hund Teil einer Familie werden konnte, ohne das Recht zu haben, deren Haus betreten zu dürfen. Alice mußte sich wohl dieselbe Frage gestellt haben, denn kaum war ihr Vater zum letzten Punkt auf seiner Liste gekommen, meldete sie sich zu Wort:
    »Und wenn es Winter wird?« fragte sie. »Wir können ihn doch nicht draußen in der Kälte lassen, oder, Daddy?«
    »Natürlich nicht«, entgegnete Dick. »Er darf in die Garage, und wenn es dort auch zu kalt ist, lassen wir ihn in den Keller. Ich will nur nicht, daß er überall auf die Möbel haart, das ist alles. Aber wir machen es ihm hier draußen richtig gemütlich, keine Sorge. Wir bauen ihm eine erstklassige Hundehütte, und dann spanne ich ihm eine Laufleine zwischen den beiden Bäumen dort drüben. Da hat er genug Platz, wo er herumtollen kann, und wenn er sich erst mal daran gewöhnt hat, wird er glücklich und zufrieden sein. Du brauchst dir keine Sorgen um ihn zu machen, Alice. Er ist kein Mensch, sondern ein Hund, und Hunde stellen keine Fragen. Sie sind mit dem zufrieden, was sie kriegen.« Und mit dieser abschließenden Bemerkung legte er Mr. Bones die Hand auf den Kopf und tätschelte ihn männlich fest, als wolle er beweisen, daß er gar kein so übler Kerl war. »Stimmt’s nicht, Kumpel?« sagte er. »Du beschwerst dich doch nicht, oder? Du weißt, daß du Dusel gehabt hast, und das Letzte, was du willst, ist die ganze Sache zu gefährden.«
    Dieser Dick war ein Mann der Tat, und obwohl der nächste Tag ein Sonntag war - was hieß, daß sowohl der Hundesalon als auch die Tierarztpraxis geschlossen waren -, stand er früh auf, fuhr in Pollys Van zur Holzhandlung und verbrachte dann den ganzen Vormittag und Nachmittag damit, hinter dem Haus eine vorgefertigte Hundehütte (de luxe, mit beiliegender Bauanleitung) zusammenzubauen und eine Laufleine zu spannen. Er gehörte offenkundig zu jener Sorte von Männern, die glücklicher sind, wenn sie Leitern herumschleppen und Nägel in Bretter schlagen können, als wenn sie mit Frau und Kindern plaudern. Dick war ein Aktionist, ein Soldat im Krieg gegen den Müßiggang, und als Mr. Bones ihn da so in seinen Khakishorts arbeiten sah und den Schweiß bemerkte, der auf seiner Stirn glänzte, konnte er sein Engagement nur als gutes Zeichen verstehen. Es bedeutete, daß all dieses »Probehalber«-Gerede vom Vortag nur ein Bluff gewesen war. Dick hatte über zweihundert Dollar für neues Werkzeug und Material

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