Timbuktu
es dennoch nicht für möglich gehalten, daß sie das folgende wirklich sagen würde. »Armer Hund«, murmelte sie traurig und betrübt. »Dir ist ganz schlecht, stimmt’s?« Mehr sagte sie nicht - nur zwei kurze Sätze -, aber als Mr. Bones diese Worte aus ihrem Mund hörte, wurde ihm klar, daß Willy G. Christmas nicht der einzige Zweibeiner auf der Welt war, dem man trauen konnte. Es gab noch andere, wie sich nun zeigte, und manche von ihnen waren noch ganz klein.
Der Rest des Nachmittags verging wie im Traum. Sie spritzten ihn mit dem Gartenschlauch ab, schäumten sein Fell zu einem Berg Seifenschaum auf, und während ihm die sechs Hände seiner neuen Freunde Rücken, Brust und Kopf schrubbten, mußte er unwillkürlich daran denken, wie der Tag begonnen hatte - und wie merkwürdig und rätselhaft es doch war, daß er so enden sollte. Dann spülten sie ihn ab, und nachdem er sich trocken geschüttelt hatte, ein paar Minuten im Garten herumgetollt war und verschiedene Sträucher und Bäume entlang der Grundstücksgrenze mit seiner Duftmarke versehen hatte, setzte sich die Frau für eine kleine Ewigkeit zu ihm und suchte seinen Körper nach Zecken ab. Sie erzählte Alice, daß ihr Vater ihr das in North Carolina beigebracht habe, als sie noch ein Kind gewesen sei, und daß die einzig sichere Methode die sei, die Fingernägel zu nehmen und die Biester an ihren Köpfen herauszuzwicken. Wenn man sie erst mal hatte, konnte man sie nicht einfach wegwerfen, und zertreten konnte man sie auch nicht. Man mußte sie verbrennen, und ob Alice wohl so nett wäre, in die Küche zu laufen und die Schachtel Streichhölzer zu holen, die in der oberen Schublade rechts vom Ofen lag, obwohl sie Alice damit keineswegs ermutigen wolle, mit Streichhölzern zu spielen? Alice tat, wie ihr geheißen, und eine ganze Weile durchkämmten sie und ihre Mutter Mr. Bones’ Fell, zupften ihm eine ganze Reihe mit Blut vollgesogener Zecken heraus und verbrannten die Übeltäter in kleinen Flammen von strahlender, phosphoreszierender Hitze. Unmöglich, dafür nicht dankbar zu sein. Unmöglich, sich nicht darüber zu freuen, diese Plage von furchtbarem Juckreiz und Schwären vom Leibe zu haben. Mr. Bones war so erleichtert darüber, was sie für ihn taten, daß er sich sogar Alices folgende Bemerkung unwidersprochen gefallenließ. Er wußte, daß sie ihn damit nicht beleidigen wollte, aber das hieß nicht, daß er nicht doch verletzt war.
»Ich will ja deine Hoffnungen nicht zu hoch schrauben«, sagte die Frau zu Alice, »aber es wäre vielleicht keine schlechte Idee, dem Hund einen Namen zu geben, bevor Daddy nach Hause kommt. Das wirkt dann gleich so, als würde er schon zur Familie gehören, und das gibt uns vielleicht einen gewissen psychologischen Vorteil. Du verstehst doch, was ich meine, Schatz?«
»Ich weiß schon, wie er heißt«, entgegnete Alice. »Das wußte ich vom ersten Augenblick an.« Das Mädchen schwieg kurz, um seine Gedanken zu sammeln. »Erinnerst du dich an das Buch, das du mir mal vorgelesen hast, als ich noch klein war? Das rote mit den Bildern und all den Tiergeschichten? Da gab es einen Hund, der sah genauso aus wie der hier. Er rettete ein Baby aus einem brennenden Haus und konnte bis zehn zählen. Weißt du noch, Mama? Ich habe diesen Hund geliebt. Als ich vorhin sah, wie Tiger diesen hier umarmte, war das wie ein wahr gewordener Traum.«
»Und wie hieß der Hund?«
»Sparky. Er hieß Sparky der Hund.«
»Also gut. Dann werden wir diesen hier auch Sparky nennen.«
Es versetzte Mr. Bones einen Stich zu hören, daß die Frau diesem absurden Vorschlag zustimmte. Schlimm genug, sich an »Cal« gewöhnen zu müssen, aber das hier ging doch wohl ein bißchen zu weit. Er hatte schon zuviel durchgemacht, um auch noch mit diesem süßlichen, infantilen Spitznamen gestraft zu werden, diesem albernen Kosenamen aus einem Bilderbuch für Kleinkinder, und selbst wenn er noch einmal so lang lebte, wie er es bisher geschafft hatte, würde er, ein Hund seines melancholischen Temperaments, sich nie an diesen Namen gewöhnen, das stand fest. Er würde bis ans Ende seiner Tage jedesmal zusammenzucken, wenn er ihn nur hörte.
Doch bevor sich Mr. Bones noch richtig darüber aufregen konnte, gab es in einem anderen Teil des Gartens neuen Ärger.
In den vergangenen zehn Minuten, während Alice und ihre Mutter ihm das Ungeziefer aus dem Fell zupften, hatte Mr. Bones Tiger dabei zugeschaut, wie er sich damit vergnügte, einen großen
Weitere Kostenlose Bücher