Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Timbuktu

Timbuktu

Titel: Timbuktu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Auster
Vom Netzwerk:
Er hatte sich in einen richtigen Stutzer verwandelt, in einen bourgeoisen Dandy, und wer wollte ihm verübeln, daß er sein Glück über diese Verwandlung so zur Schau stellte und ein bißchen damit angab? »Wow«, sagte Polly, als er schließlich wieder bei ihr abgeliefert wurde. »Dich haben sie ja gründlich aufgemotzt. Demnächst gewinnst du noch Preise auf der Hundeschau, Sparky Schönling.«
    Am nächsten Tag fuhren sie zum Tierarzt. Mr. Bones freute sich darüber, wieder im Wagen sitzen zu dürfen, aber er war diesen Männern in den weißen Kitteln schon des öfteren begegnet, und er wußte genug von ihren Nadeln, Thermometern und Gummihandschuhen, um sich ein wenig vor dem Kommenden zu fürchten. Früher hatte Mrs. Gurevitch immer die Tierarzttermine ausgemacht, doch nach ihrem Tod war Mr. Bones die Pein weiterer Auseinandersetzungen mit den Medizinern erspart geblieben. Willy war entweder zu pleite oder zu vergeßlich gewesen, um sich noch weiter darum zu kümmern, und da der Hund nach vier Jahren ohne Arztbesuche immer noch lebte, fehlte ihm nun jede Einsicht in den Sinn der bevorstehenden Untersuchung. Wenn man sterbenskrank war, half einem auch kein Arzt mehr. War man es nicht, wieso sollte man sich von ihrem Gepiekse und Gedrücke quälen lassen, nur um gesagt zu bekommen, daß man gesund war?
    Es wäre entsetzlich gewesen, wenn Polly nicht während der ganzen Prozedur bei ihm geblieben wäre, ihn nicht in die Arme genommen und mit ihrer sanften, lieben Stimme beruhigt hätte. Doch trotz ihrer Hilfe zitterte und schlotterte er während des ganzen Arztbesuchs, und dreimal sprang er vom Tisch und rannte zur Tür. Der Doktor hieß Burnside, Walter A. Burnside, und es war Mr. Bones vollkommen egal, daß der Quacksalber ihn zu mögen schien. Mr. Bones hatte gesehen, wie er Polly angaffte, und er hatte die Erregung auf der Haut des jungen Arztes gerochen. Er war hinter Polly her, und die Zuneigung zu ihrem Hund war nur gespielt, um ihr Vertrauen zu gewinnen und sie mit seinem Verständnis und seinem Können zu beeindrucken. Ganz egal, daß er Mr. Bones einen klugen Hund nannte, ihm den Kopf tätschelte und über seine Fluchtversuche lachte. Das tat er nur, um sich an Polly heranzumachen, vielleicht sogar an ihrem Körper entlangzustreifen, und Polly, die damit beschäftigt war, sich um den Hund zu kümmern, merkte nicht einmal, was der Schuft im Schilde führte.
    »Gar nicht übel«, meinte der Doktor schließlich. »Wenn man bedenkt, was er alles durchgemacht hat.«
    »Er ist ein zäher alter Bursche«, sagte Polly und drückte Mr. Bones einen Kuß zwischen die Aigen. »Aber sein Magen ist hin. Ich möchte nicht wissen, was er alles gefressen hat.«
    »Wenn Sie ihn regelmäßig füttern, kommt er schon wieder in Ordnung. Und vergessen Sie die Wurmpillen nicht. Sie werden sehen, in ein, zwei Wochen geht es ihm viel besser.«
    Polly dankte dem Doktor, und als sie sich zum Abschied die Hand gaben, fiel Mr. Bones auf, daß Senor Schmus sie länger festhielt als nötig. Als er Pollys höfliches Auf Wiedersehen mit der Floskel: »Es war mir ein Vergnügen«, beantwortete, überkam den Hund der jähe Drang, hochzuspringen und ihn ins Bein zu beißen. Polly wandte sich zum Gehen. Als sie schon die Tür öffnete, fügte der Doktor hinzu: »Und reden Sie mit June an der Rezeption. Sie wird Ihnen in der anderen Angelegenheit einen Termin geben.«
    »Das war nicht meine Idee«, sagte Polly. »Mein Mann will es so.«
    »Er hat recht«, sagte Dr. Burnside. »Es erleichtert die Dinge, und auf lange Sicht wird Sparky so viel glücklicher sein.«
    Am Donnerstagabend kam Dick nach Hause, weshalb der Freitagmorgen erheblich langweiliger verlief als die vorangegangenen. Keine heimlichen, genüßlichen Stunden im Haus. Kein Besuch im Badezimmer, um Polly bei der Morgentoilette zuzuschauen. Keine Rühreier. Keine gezuckerte Milch aus den Cornflakesschüsseln der Kinder. Gewöhnlich hätte er unter Verlusten dieser Größenordnung gelitten, doch an diesem Freitagmorgen lösten sie kaum mehr als einen Anflug von sehnsüchtigem Bedauern aus. Er verlegte sich aufs Hoffen, denn er wußte, wenn Dick am Sonntagabend fuhr, würde sich die Tür für ihn wieder öffnen. Der Gedanke war tröstlich, und obwohl es an jenem Tag nieselte und herbstlich kühl geworden war, zog er sich mit dem Gummiknochen, den Polly ihm im Hundesalon gekauft hatte, in seine Hütte zurück und kaute darauf herum, während die Familie im Haus frühstückte. Er

Weitere Kostenlose Bücher