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Timbuktu

Timbuktu

Titel: Timbuktu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Auster
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hörte den Bus kommen, hörte den Wagen davonfahren, und in der kurzen Zeit, in der Polly fort war, kam Dick in den Garten geschlendert, um Hallo zu sagen. Nicht einmal das konnte seine Zufriedenheit beeinträchtigen. Der Pilot schien an jenem Morgen gut gelaunt zu sein, und als er Mr. Bones zu seinem schicken Haarschnitt gratulierte und ihn fragte, wie er denn so zurechtkam, obsiegte die Gutmütigkeit des Hundes über seine Zweifel, und er leckte ihm kurz und gentlemanlike die Hand. Er hatte nichts gegen Dick, beschloß er. Er bedauerte ihn nur, weil er das Leben nicht zu genießen verstand. Die Welt war voller Wunder, und es war einfach traurig, daß ein Mann seine Zeit damit vergeudete, über Unwichtiges nachzudenken.
    Mr. Bones rechnete mit einem langen, eintönigen Tag und hatte sich vorgenommen, die Stunden bis zur Rückkehr der Kinder möglichst untätig zu verbringen: mit Dösen, am Knochen kauen oder ein wenig im Garten herumlaufen, wenn der Regen nachließ. Nichts als Faulsein stand auf der Tagesordnung, doch Dick wollte nicht aufhören zu erzählen, was für ein wichtiger Tag dies sei, ritt ständig darauf herum, daß »der Augenblick der Wahrheit gekommen« sei, und nach einer Weile fragte sich Mr. Bones, ob er vielleicht etwas verpaßt hatte. Ihm war schleierhaft, wovon Dick redete, doch nach all diesen rätselhaften Ankündigungen überraschte es ihn nicht, daß er, nachdem Polly Tiger abgesetzt hatte und zurückgekommen war, zu einer weiteren Tour in den Wagen springen sollte. Natürlich verlief die anders als sonst, weil Dick dabei war, aber was sollte er gegen eine kleine Änderung des Protokolls einzuwenden haben? Dick saß am Steuer, Polly daneben, und Mr. Bones lag hinten auf einem Badetuch, das Dick dort ausgebreitet hatte, um den Wagen vor Hundehaaren zu schützen. Hinten konnte man kein Fenster öffnen, was den Spaß an der Fahrt erheblich beeinträchtigte, aber Mr. Bones genoß sie schon wegen der Bewegung, und alles in allem war es ihm viel lieber, nun hier zu sein, als dort, wo er vorher gewesen war.
    Allerdings spürte er, daß zwischen den Eheleuten keineswegs eitel Frieden und Freude herrschte. Im Lauf der Fahrt stellte sich heraus, daß Polly ungewöhnlich still war und zum Seitenfenster hinausschaute, statt Dick anzusehen, und nach einer Weile begann ihr Schweigen auch Dick auf die Stimmung zu schlagen.
    »Hör mal, Polly«, sagte er, »es tut mir leid. Aber es ist wirklich nur zu seinem Besten.«
    »Ich will nicht darüber sprechen«, entgegnete sie. »Du hast dich entschieden, und Schluß. Du kennst meine Meinung dazu, also warum noch darüber streiten?«
    »Es ist doch nicht so, als ob ich der erste wäre, der jemals darauf gekommen ist«, sagte Dick. »Das machen viele so.«
    »Ach ja? Und wie fändest du es, wenn man das mit dir machen würde?«
    Dick gab ein Geräusch von sich, das halb nach einem verächtlichen Grunzer und halb nach Lachen klang. »Nun hör schon auf, Liebes. Er ist ein Hund. Er wird nicht mal merken, was mit ihm geschieht.«
    »Bitte, Dick. Ich möchte nicht darüber sprechen.«
    »Warum denn nicht? Wenn es dich so aufregt -«
    »Nein. Er soll nichts davon hören. Das ist nicht fair.«
    Dick lachte erneut, doch diesmal klang es nach völliger Verblüffung, nach größter Ungläubigkeit. »Du machst Witze!« sagte er. »Ich meine, Herrgott noch mal, wir reden hier von einem Hund!«
    »Denk, was du willst. Ich werde zu diesem Thema in diesem Wagen kein Wort mehr verlieren.«
    Und das tat sie auch nicht. Doch es waren auch so schon genug Worte gefallen, daß Mr. Bones sich Sorgen zu machen begann, und als der Wagen schließlich hielt und er sah, daß sie vor demselben Gebäude standen, das er und Polly schon am Dienstagmorgen betreten hatten, demselben Gebäude, in dem sich die Praxis eines gewissen Walter A. Burnside, Doktor der Veterinärmedizin, befand, wußte er, daß ihm etwas Schreckliches bevorstand.
    Und das tat es auch. Das Merkwürdige daran war: Dick hatte recht gehabt. Mr. Bones merkte gar nicht, was mit ihm geschah. Er wurde mit einer Nadel in den Unterleib betäubt, und als die Operation vorbei war und man ihn in den Wagen zurückgetragen hatte, war er noch zu benommen, um zu wissen, wo, geschweige denn wer er war, oder ob er überhaupt noch existierte. Erst später, als die Betäubung nachließ, spürte er den Schmerz, der ihm zugefügt worden war, und selbst da blieb er sich über dessen Ursache im unklaren. Er wußte zwar, woher der Schmerz kam,

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