Time Travel Inc. - Rewind (Die Zeitreise Chroniken) (German Edition)
haben.«
»Ach, hör auf!«, flötete sie. »Ich finde, ich habe zu große Ohren. Und meine Oberschenkel sind sooo dick.«
»Blödsinn!«, entgegnete ich. »Du bist eine sehr attraktive Frau, Mary. Bei unserem ersten Treffen konnte keiner die Augen von dir abwenden.«
»Ja, ich weiß, es ist nur … Ich fürchte, ich bin verliebt.« Schnell wandte sie den Blick ab und starrte auf den Boden. »Er arbeitet am Hafen und ich kenne ihn eigentlich gar nicht. Aber immer, wenn ich dort zu tun habe«, sie räusperte sich, »na ja, dann sehe ich ihn dort und er winkt mir dann zu.«
»Am Hafen zu tun … hmm …« Ich hatte mich noch nicht daran gewöhnt, dass Mary ihr Geld auf, nun ja, auf eine eher unschickliche Weise verdiente. Ich hätte sie zwar nicht direkt als Hure bezeichnen wollen. Aber Tatsache war, dass sie ihr Geld durch das Zufriedenstellen von wildfremden Männern verdiente. In Ordnung, es handelte sich um reiche Männer. Und dann und wann genügte auch ihre bloße Gesellschaft, ohne dass es zu Vertrautheiten kam. Doch es war letztendlich eine Dienstleistung, über die nicht unbedingt laut geredet wurde. Es war mir unbegreiflich, wie Mary ihre Tätigkeit, wenn man es so nennen wollte, mit ihrer überdurchschnittlich emanzipierten Weltanschauung vereinbaren konnte. Aber offensichtlich sah sie keinen Konflikt darin.
»Vielleicht hat er sich in dich verliebt? Du solltest ihm ein Zeichen geben, damit er weiß, dass du interessiert bist.« Eigentlich freute es mich, zu hören, dass Mary sich verliebt hatte. Es wäre schön, wenn sie ihre Tätigkeit aufgeben und sich mit einem rechtschaffenen Mann zusammentun würde.
»Ich weiß nicht. Was mache ich denn, wenn er mich nicht leiden kann. Vielleicht hat er ja gar nicht mir zu gewunken, sondern sonst wem.«
»So ein Unsinn!«, erwiderte ich ärgerlich. »Ich finde, du solltest nicht so ein Theater darum machen und das nächste Mal einfach eine eindeutige Geste sprechen lassen. Außerdem, du bist doch sonst immer so …«, ich wollte "offenherzig" sagen, entschied mich aber für eine freundlichere Variante, »na ja, so mutig.«
»Ja, ich weiß. Bei ihm ist es eben anders. Er ist anders …«
Später am Tag schlenderte ich über die 5th Avenue und grübelte gerade so vor mich hin, als plötzlich etwas meine Aufmerksamkeit auf sich lenkte. Im Schaufenster, auf der anderen Straßenseite, entdeckte ich zwischen all den Blusen, Röcken und breitkrempigen Hüten eine Damenhose. Endlich, dachte ich. Ich war mir vor meiner Abreise so sicher gewesen, dass es im Jahre 1921 bereits einige Läden geben musste, welche Damenhosen verkauften. Doch wie es eben bei Planung jeglicher Reisen so lief, war dies ein schwerer Irrtum gewesen. Zügig wechselte ich die Straßenseite und betrat das Geschäft. Im Inneren war es gemütlich, wenn auch ein wenig düster. Eine freundliche, ältere Dame kam sogleich auf mich zu und erkundigte sich nach meinem Befinden. Nach ein paar Höflichkeitsfloskeln widmeten wir uns den unterschiedlichen Hosen, welche ordentlich an einer Seite des kleinen Geschäfts aufgereiht waren. Ich entschied mich für eine schlichte, aus festem Stoff gefertigte Hose in geradem Schnitt. Zusätzlich ließ ich mir noch eine etwas feinere und leichtere Version einpacken. Während ich meinen Zufallsfund bezahlte, fiel mein Blick auf eine bildgewaltige Illustration amerikanischer Wildwest-Romantik über dem Kassentresen.
Ich musste unwillkürlich an die Geschichten denken, welche mir Professor Tyssot erzählt hatte. Sein Urgroßvater hatte in Amerika gelebt und nachdem er seinen außergewöhnlichen Fund von Kalifornien nach Tulsa gebracht hatte, entschloss er sich, ihn so sicher zu verstecken, dass kein Mensch ihn jemals finden konnte. Wir wussten, dass er von Tulsa nach New Orleans gegangen war. Wir wussten nur nicht warum. Er selbst hatte seinem Enkel, Professor Tyssots Vater, immer die Geschichte seines grandiosen Abenteuers im Wilden Westen erzählt. Laut seiner ausschweifenden Berichte war er tagelang in der Gegend des Lake Maurepas umhergewandert, bis er endlich das perfekte Versteck entdeckt hatte. Unterwegs kämpfte er mit Bären und verteidigte sich gegen Schlangen. Er hungerte, betete und schlief nachts am offenen Feuer, immer mit einem wachsamen Auge. Sicher, was die Bärenkämpfe und anderes Getier angingen, so zweifelten der Professor und ich an der Geschichte. Sein Fund war jedoch, so glaubte zumindest Professor Tyssot, real gewesen. Ich vertraute André Tyssot
Weitere Kostenlose Bücher