Time-Travel-Triologie 01 - Die Prophetin von Luxor
dem Fenster. Es ging tief nach unten, doch in der abbröckelnden Hausmauer hatten sich Nischen und Spalten gebildet, in denen Hände und Füße Halt finden konnten. Sie zerrte energisch an ihrem Kleid und riß die untere Hälfte des Rockes ab, so daß er kurz über ihren Knien endete, dann schwang sie sich blitzartig über den Fenstersims.
Sie hoffte, daß sie nicht alles aus ihrem kurzen Kletterseminar vergessen hatte. Über ihr protestierte Cheftu aufgebracht aus dem Fenster heraus, doch sie war entschlossen, mitzukommen. Sie schob Hände und Füße über die Wand und tastete sich von einer Nische zur nächsten vor, bis sie nur noch mannshoch über dem Boden war. Sie ließ sich fallen und machte einen Purzelbaum, um den Aufprall mit einer Rolle vorwärts abzuschwächen. Cheftu landete dicht neben ihr, packte sie an der Hand und duckte sich in den halbdunklen Schatten des Gebäudes.
»Sollte ich noch etwas wissen?« zischte er. »Außer glace und deinen arachniden Neigungen?«
Sie huschten durch das Dorf, von einem Schatten in den nächsten flüchtend. Das leise Wiehern eines Pferdes lenkte Cheftus Aufmerksamkeit auf sich, und kurz darauf standen sie in einem Unterstand vor einer hübschen braunen Stute, aber ohne Streitwagen.
»Kannst du reiten?« fragte er auf französisch.
»Nicht besonders«, antwortete sie auf ägyptisch. »Diese Pferde sind nicht eingeritten. Ist das nicht gefährlich?« »Nicht gefährlicher als alles, was wir sonst getan haben«, beschied er sie trocken.
Cheftu legte die Arme um den Pferdehals und saß rittlings auf. Mit lautem Wiehern tänzelte die Stute durch den Stall, kam aber offenbar zu dem Schluß, daß sein Gewicht auch nicht schlimmer war, als einen Streitwagen ziehen zu müssen. Chloe sah zu Cheftu auf, eingeschüchtert angesichts des riesig wirkenden Tieres. Während sie sich nach einem Schemel umsah, von dem aus sie aufsteigen konnte, erklärte ihr die »andere«, daß die Ägypter nie auf ihren Pferden ritten. Wenn sie Cheftu so sahen, würden sie nicht mehr daran zweifeln, daß er ein Zauberer war. Er streckte die Hand herunter und zog Chloe mit einem Ruck, der ihn selbst fast vom Rücken des Pferdes geworfen hätte, auf den schmalen Platz hinter ihm, wo sie sich sehnsüchtig Unterwäsche wünschte, während sie die Überreste ihres Kleides zu arrangieren versuchte.
Das Pferd war nicht begeistert von den beiden Passagieren und begann zu bocken, um die ungewohnte Last abzuwerfen.
Cheftu verwob seine Hände in die Mähne und preßte die Knie gegen den Rumpf des Pferdes. Chloe hielt sich mit aller Kraft bei ihm ein, während sie durch den Stall hoppelten. Die Stute trat mit einem Hufschlag die Wände des Unterstandes ein und galoppierte hinaus, Cheftu und Chloe auf ihrem Rücken. Unter den lauten Schreien der Apiru zog Cheftu den Kopf des Tieres zur Seite und lenkte es so in Richtung Avaris. Entschlossen, sich von der Last zu befreien, galoppierte die Stute los. Als sie schließlich langsamer wurde, war Chloe vollkommen erschöpft. Cheftu hockte gekrümmt über dem Pferderücken und lenkte die Stute, indem er an ihrer Mähne zog. Das gefiel ihr gar nicht, doch Chloe wußte, daß es keine andere Möglichkeit gab, das Pferd zu leiten – es war nicht eingeritten. Sie brachen gerade aus dem überwucherten Dickicht und waren auf einer kleinen Straße angelangt, als Chloe auffiel, daß es Nacht wurde.
Wenigstens sah es auf den ersten Blick so aus, dabei stand die Sonne immer noch hoch am Himmel. Cheftu brüllte etwas über seine Schulter hinweg, das der aufbrausende Wind mit sich forttrug. Als er dem Pferd einen Schlag auf den Rumpf versetzte und es erneut lospreschte, konnte sich Chloe nur mühsam festkrallen. Der Wind begann zu heulen, wütend das Laub zu peitschen und Staub aufzuwirbeln. Als ein Blitz den Himmel zerriß, bäumte sich das Pferd auf. Chloe konnte sich mit letzter Kraft an Cheftu, ihrem Anker, einhalten.
Die Welt verwandelte sich in eine einzige Kakophonie, während der Himmel von Minute zu Minute dunkler wurde. Bald würden sie die Hand nicht mehr vor Augen sehen. Mit einem riesigen Paukenschlag öffnete sich der Himmel, und es begann zu hageln Chloe krümmte sich unter der Wucht der Naturgewalten zusammen und kauerte sich dichter an Cheftus Rücken.
Zwischen dem strömenden Regen fielen auch kleine, erbsengroße Hagelkörner. Wundersamerweise traf sie kein einziges Hagelkorn.
Als sie auf eine breitere Straße einbogen, die nach Avaris führte, stockte
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