Time-Travel-Triologie 01 - Die Prophetin von Luxor
Steinböden und behauenen Alabastersäulen um.
Hinter Thut befand sich ein riesiges Wandgemälde, auf dem Pharao seine Feinde niederschmetterte, das gleiche Bild, das jedes Pharaonengrab schmückte, ebenso wie die seit Anbeginn der Dynastien verwendete Liste, auf der aufgezählt wurde, wer alles getötet worden war. Die Liste veränderte sich nie, ganz gleich, wer auf dem Thron saß. Für das ägyptische Volk war es keine Frage, ob Pharao gewinnen würde – es war eine unumstößliche Tatsache.
Je mächtiger der Pharao war, desto mächtiger war auch der gemeine Mann. Deshalb kämpfte Thut so verzweifelt gegen diesen »Wüstengott«. Er glaubte tatsächlich, daß sein Handeln für den Ruf Ägyptens ausschlaggebend war, begriff Chloe. Die Türen gingen auf, zwei bärtige Männer in langen Umhängen kamen herein und standen Sekunden später vor dem Thron. Sie verneigten sich knapp vor Thut und warteten darauf, daß er das Wort an sie richtete. Thut wartete unerträglich lange. »Ich entbiete euch den Gruß des goldenen Gottes, Ramoses und Aharon.«
Der größere Mann trat vor. »Nenn mich nicht länger Ramoses, wie es meine ägyptische Mutter tat, denn ich kenne keinen Amun-Re mehr. Nenn mich fortan Moshe.«
Chloe verschluckte sich beinahe vor Aufregung. Moshe? Das war Moses! De Mille hatte gar nicht so falsch gelegen, was sein Aussehen anging, obwohl selbst Charlton Heston sich blaß ausnahm gegen dieses Charisma.
Thuts Gesicht verdüsterte sich vor Zorn, doch er hatte sich absolut in der Gewalt. Ohne auf Moshes Bitte einzugehen, sagte er: »Ramoses, nimm diese Plage von uns.« Er sprach mit einer Autorität, die Hatschepsut mit Stolz erfüllt hätte. Moshe antwortete ihm, keineswegs arrogant, doch mit einer Zuversicht, die den Verstand betäubte. »Ich bin nicht Gott. Er hört nur die Gebete. Nicht ich befehle ihm, er befiehlt mir. Läßt du uns ziehen? Oder wirst du mit deinem Zorn noch länger dieses Land zerstören, das dir anvertraut wurde?«
Thut seufzte aus tiefstem Herzen. Allmählich sah man seinem fleischigen Gesicht die Belastung der vergangenen Monate an. »Bitte«, sagte er, wobei der untertänige Tonfall von seinen Lippen höchst eigenartig klang. »Betet zu eurem Gott, daß er diese Plagen von mir nimmt. Ich …« Er hielt inne, und die Sekunden dehnten sich zu Minuten, während er nach nie zuvor ausgesprochenen Worten, nach einer ihm bis dahin unverständlichen Einsicht suchte. »Diesmal habe ich meine Grenzen überschritten.« Mit überraschter Miene hielt er inne. »Euer Elohim ist im Recht. Ich und mein Volk aber, wir sind schuldig. Bitte für uns bei deinem Gott, dann will ich euch ziehen lassen, denn wir hatten genug. Ihr braucht nicht länger in Ägypten zu bleiben.«
Als er verstummte, wirkten seine schlammfarbenen Augen in der beinahe vollkommenen Dunkelheit des Audienzsaales fast schwarz.
Moshe antwortete ihm, und Chloe konnte sehen, wie Cheftu die Lippen zu Moshes Worten bewegte. Kannte er die Bibel so gut? »Wenn ich zur Stadt hinauskomme, will ich meine Hände ausbreiten zum Herrn. So wird der Donner aufhören und kein Hagel mehr fallen, damit du innewirst, daß die ganze Erde des Herrn ist, selbst Ägypten. Ich weiß aber: Du fürchtest dich noch nicht vor Gott dem Herrn und achtest immer noch nicht seine Macht.«
Thut erwiderte nichts darauf, und ohne jede weitere Bezeugung ihrer Ehrerbietung Thut gegenüber verließen die Apiru den Raum. Das Klicken der goldverzierten Tür rüttelte alle wach.
Thut sah Cheftu an. »Nun, Magus, hat Horus genug gebettelt? Wirst du jetzt meinem Pharao berichten, daß ich nicht zum Regieren geschaffen bin, weil mir die Zerstörung meines Landes zu Herzen geht? Oder sollte ich deinem Leben lieber ein Ende setzen, ehe du noch einmal Gelegenheit hast, mich zu betrügen?«
Elegant warf sich Cheftu in einer Demutsgeste Thut zu Füßen. »Du hast die größte Katastrophe abgewendet, die Ägypten je widerfahren wird, und dir damit ein Nachleben in Frieden gewonnen, Pharao«, sagte er.
Thut sah ihn erschrocken an; Chloe war wie gelähmt. Cheftu gelobte dem Thronanwärter die Treue? Das war Hochverrat, für den er hingerichtet werden konnte. Ihr Blick tastete die Schatten ab, die den Raum verdüsterten. Dort konnte sich jederzeit ein Spion aufhalten, der Cheftus Worte in seinem Gedächtnis speicherte, um sie vor Pharao wiederzugeben. Thut trat vor Cheftu, der immer noch am Boden lag, hob dann einen Fuß und stellte ihn auf Cheftus Hals. »Ich habe deinen
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