Time-Travel-Triologie 01 - Die Prophetin von Luxor
Sklaven. Chloe biß sich auf die Unterlippe; sie sehnte sich danach, Cheftu zu sehen doch sie hatte Angst, ihn zu stören. Mit seiner Arbeit rettete er Menschenleben; sie konnte warten.
Chloe sammelte fünf trauernde Apiru-Frauen um sich, die allesamt eine Ablenkung gebrauchen konnten, und schickte sie, angeführt von Ehuru, in den Palast.
Solange die Frauen unterwegs waren, machte sie sich gemeinsam mit drei leichtverletzten, halbwüchsigen Knaben daran, den Brunnen zu säubern, indem sie der Reihe nach in die Tiefe stiegen, um körbeweise Heuschrecken von der Wasseroberfläche zu sammeln. Chloe war überzeugt, daß mindestens vierzigtausend Heuschrecken in den Brunnen gefallen waren. Es war eine grausige Arbeit, in der feuchtklammen Tiefe und inmitten der krabbelnden Insekten mit beiden Händen die Leichen der ertrunkenen Heuschrecken in Körbe zu schaufeln, die dann nach oben gezogen wurden.
Als der Brunnen einigermaßen sauber war – in anderen Worten, mit nur noch dreißig Prozent Heuschrecken –, befahl Chloe den zurückgekehrten Frauen, aus den vorn Palast mitgebrachten Laken eine Abdeckung für den Brunnen zu fertigen.
Sie und die drei Jungen machten sich währenddessen auf den Weg und kehrten bald darauf mit einigen kahlgefressenen Baumstämmen zurück. Aus Schlamm, Salpeter und zermahlenen Heuschrecken mischten sie einen Zement, mit dem sie die Bäume im Boden verankerten. Dann spannten sie Leinentücher in mehreren Schichten über die vier Stämme. Anschließend trugen sie die Überlebenden behutsam auf Tragen aus Ästen und Leinwand in den Schatten.
Als eine der Frauen vor Hunger zusammenbrach, begriff Chloe, daß sie etwas zu essen brauchten. Ehuru hatte die Palastküche geplündert und war mit Fett, Geflügel, Honig und Mehl zurückgekehrt. Obwohl sie nicht die Sprache der Frauen sprach, verständigten sie sich in der internationalen und zeitlosen Sprache aller kulinarischen Vagabunde. Mehl und Eier landeten in einer Suppe, einer Art Mischung aus Hühnerklößen und verlorenem Ei, wie Chloe fand, und schließlich grillten sie Heuschrecken und servierten sie mit Honig, ein bittersüßer Leckerbissen für die Apiru.
Chloe war der Auffassung, daß sich der Heuschreckengeschmack mit Schokolade besser übertünchen ließ, doch sie empfand eine gewisse niederträchtige Schadenfreude, wenn sie die kleinen Monster zerbiß, von denen sie seit Tagen rund um die Uhr terrorisiert wurde; es geschah ihnen ganz recht, daß sie ihnen jetzt Beine und Flügel ausriß, bevor sie gebraten wurden.
Als die Menschen von den brennenden Feldern heimkamen, wo Ägypter Seite an Seite mit den Apiru gekämpft hatten, sorgte Chloe dafür, daß sie erst Wasser zum Waschen und Trinken und dann Suppe und Heuschrecken bekamen. Drei Tage lang arbeitete sie, ohne Cheftu zu Gesicht zu bekommen, allerdings hatte sie Ehuru beauftragt, darauf zu achten, daß er etwas Suppe aß. Ein weiteres Dorf am Rande des großen Gutes war in Flammen aufgegangen, und auch dort verarztete Cheftu die Opfer, während Chloe die Versorgung der Überlebenden organisierte. Bald gab es nur noch Heuschrecken zu essen, doch wenigstens war das Wasser aus dem Brunnen wieder trinkbar.
Die Tiere fielen nicht mehr vom Himmel, dafür lagen sie immer noch meterhoch überall, wo einst Gras gewachsen war. Stoisch trampelte sie durch die Insekten, das Gesicht zu einer ständigen Maske des Ekels verzerrt. Das Lärmen der ständig mahlenden Kiefer bildete eine Art statisches Hintergrundrauschen; sie hörte es nicht mehr, doch ihr war klar, daß das Geräusch ständig da war.
Daß sie in Ohnmacht gefallen war, begriff sie erst, als sie aufwachte und einem rußigen, wütenden, stolzen Hemu-neter Gemahl ins Gesicht blickte. Sie hatten alles getan, was in ihren Kräften stand; es war Zeit heimzukehren.
Thutmosis’ Palast war verlassen, abgesehen von den Sklaven und den allgegenwärtigen Heuschrecken.
Gedankenverloren stampften Chloe und Cheftu auf dem Weg zu und durch ihre Gemächer die Tiere in den Boden. Cheftu war graugesichtig unter der Rußschicht, weigerte sich aber, schlafen zu gehen, ehe er sich gewaschen hatte. Chloe fürchtete, daß er ertrinken würde, wenn er alleine im Bad blieb, also führte sie ihn an das Badebecken und half ihm, Schurz und Sandalen zu lösen, bevor sie ihn auf einen Stuhl setzte und die Heuschrecken aus dem Wasser fischte.
»Es ist weder frisch noch warm«, warnte sie Cheftu, doch der krächzte nur in der erbärmlichen Kopie eines
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