Time-Travel-Triologie 01 - Die Prophetin von Luxor
ging nach draußen – knirsch, spratz, knack. Ihr Gewand war von Heuschreckenspeichel überzogen, braunen Flecken, die sich im trüben Licht wie Blut ausnahmen. Bibbernd schlang sie die Arme um ihren Körper und sah sich um.
Die Zerstörung trieb ihr die Tränen in die Augen. Das Gelände war vollkommen flach; jeder Baum und Busch, der zuvor aufgeragt hatte, war nun eins mit dem Boden. Dann hörte Chloe das tiefe, surrende Dröhnen der fressenden Insekten. Sie wischte die Tiere von ihrem Gesicht und ihren Armen und drehte sich auf der Suche nach einem Lebenszeichen zum Palast um. Das Gebäude war fast vollkommen dunkel, und Chloe fragte sich, ob die Bewohner des Palastes einfach zu Bett gegangen waren, oder ob sie in ihren Landvillen und Stadthäusern abwarteten, bis die Plage ausgestanden war.
Mechanisch die Insekten von ihrer Haut und ihren Kleidern pflückend, kehrte sie zurück zu ihrem Zimmer und nahm dabei die einzelne Fackel aus dem Gang mit sowie eine Ersatzfackel, die hinter dem Halter klemmte. Als sie in ihren Räumen war, warf sie als erstes die Milch weg, die in der stickigen Hitze gestockt war, zerquetschte noch ein paar Insekten und ließ sich dann bei trocken Brot und einem Becher heuschreckenverseuchten Wassers zu einer Nacht des Zeichnens nieder.
Als sie in der Morgendämmerung aufstand und sich streckte, war Cheftu immer noch nicht zurückgekehrt. Wo zum Teufel steckte er? Sie füllte ihren Wasserkrug nach, diesmal heuschreckenfrei, da sie ihn klugerweise abgedeckt hatte, und kaute etwas altes Brot. Mit einem schnellen Blick nach draußen erkannte sie, daß die Sonne bereits aufgegangen war und hoch und hell am Himmel stand. Sie zuckte vor der Helligkeit und den unzähligen Heuschrecken zurück, die nach wie vor alles abfraßen, was von der Vegetation übrig war. Hastig verstopfte sie sich wieder die Ohren. Erschöpft stolperte sie über die Heuschrecken hinweg in Richtung Liege, schüttelte die Decke aus, um sicherzugehen, daß sie sauber oder wenigstens heuschreckenfrei war, und ließ sich ins Bett fallen, wo sie sofort in tiefen, traumlosen Schlaf sank.
Sie sprang auf, als etwas ihren Ellbogen berührte. Als sie sich umdrehte, sah ihr Cheftus Diener Ehuru ins Gesicht. »Bei den Göttern! Was ist mit dir passiert?« Er war rauchgeschwärzt, seine Augen waren rot und tränten, und er hatte widerwärtige Verbrennungen an Händen und Armen. Seine Augenbrauen waren versengt, und erst jetzt erkannte Chloe, daß er kahlrasiert war, seine Perücke war wohl irgendwo auf der Strecke geblieben.
Er beschränkte sich auf eine knappe Andeutung seiner sonst üblichen Verbeugung und erklärte mit kratzender Stimme: »Wir waren die ganze Nacht bei den Apiru, Herrin. Der edle Herr Cheftu hat sich Sorgen gemacht, du könntest dich um ihn ängstigen, deshalb hat er mich hergeschickt.«
Chloe stand auf und zwang ihn, sich auf der Liege auszustrecken. »Ruh dich einen Moment aus«, sagte sie, ohne seine Proteste gelten zu lassen.
»Auf der Liege meines Herrn? Das ist undankbar, Herrin!« »Du legst dich hin, Ehuru. Das ist ein Befehl.«
»Herrin, ich –«
»Ehuru!«
»Das ist für dich, Herrin«, sagte er schließlich und überreichte ihr dabei eine Papyrusrolle, bevor ihm die Augen zufielen und sein leises Schnarchen das Zimmer erfüllte.
Chloe ging in den Empfangsraum, wo sie das Siegel des Oryx-Gaus erbrach und die in hieratischen Zeichen hingekritzelte Botschaft las. »Geliebte – es hat einen Brand gegeben, viele sind verletzt. Verzeih mir, daß ich dich allein gelassen habe, aber ich muß nach besten Kräften helfen. Ich werde zu dir zurückkehren, sei guten Mutes, dies hier wird nicht lange dauern.« Darunter stand nicht sein ägyptischer Name, sondern in flüssigen, fließenden Buchstaben »François«. Lächelnd fuhr Chloe die Buchstaben mit der Fingerspitze nach und dachte kurz an ihre Liebesnacht zurück, ohne auch nur einen Gedanken an irgendwelche Heuschrecken zu verschwenden.
Doch falls ihr halb altägyptischer, halb Empire-französischer Ehemann erwartet hatte, daß sie Heim und Herd hüten würde, bis die Männer von der Arbeit heimkehrten, dann hatte er sich geschnitten. Ein Großbrand war eine Katastrophe. Obdachlose und Hungernde, Desorganisation und Chaos waren ihr Spezialgebiet. Die Opfer würden von Cheftu versorgt, doch wer kümmerte sich um die verwirrten Überlebenden?
Chloe lächelte insgeheim. Hier kommt das zukünftige Rote Kreuz – nein, der Rote Ankh. Wäre Cheftu damit
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