Time-Travel-Triologie 01 - Die Prophetin von Luxor
einverstanden? Nein. Würde Ehuru sie mitnehmen? Nein. Tat das etwas zur Sache? Chloe zwirbelte ihren – RaEms – Ankh-Anhänger zwischen den Fingern. Nein.
Tatsächlich ließ sich Ehuru leichter überreden, als Chloe erwartet hatte. Er glaubte nicht, daß ein brennendes Dorf der geeignete Aufenthaltsort für »meine Herrin« sei, doch ihm traten Tränen in die Augen, als er zugab, daß, ja, die Apiru sehr wohl Hilfe brauchten.
Am Nachmittag machten sie sich auf den Weg, einen grauenhaften, postapokalyptischen Marsch. Nirgendwo war auch nur ein grüner Halm zu sehen. Wo früher einmal Bäume gestanden hatten, ragten struppige Stummel obszön aus dem nackten, staubigen Erdboden auf. Alle Mauern waren mit Heuschrecken bedeckt, die die restlichen Kletterpflanzen und Blumen fraßen und alles mit eintönigem Tabakbraun überzogen. Die reizvollen weißgekalkten Gebäude, die selbst bei den Rekkit ordentlich und sauber wirkten, waren nur noch farblose Verschlage.
Der Himmel mit seinem messingklaren, fremdartigen Blau stand in hartem Kontrast über der wogenden, lebenden schwarzgelben Erde.
Chloe weinte, die Lippen fest zusammengepreßt, um nicht eine der vereinzelt umherfliegenden Heuschrecken zu verschlucken.
Unbeirrt zogen sie weiter, Insekten zertrampelnd, zerquetschend und Füße wie Knöchel mit Heuschrecken-Eingeweiden bespritzend wie bei einem makabren Winzertanz. Sie war überzeugt, daß ihre Beine taub waren, denn selbst die Heuschrecken, die unter ihrem Kleid hochkrabbelten, fegte sie lediglich gedankenverloren wieder weg. Hathor sei Dank, daß sie eine feste, undurchdringliche Binde angelegt hatte.
Sie erreichten ihr Ziel nach dem Atmu, und Chloe stockte der Atem, als sie das Dorf sah. Es war eine Szene wie von El Greco: gespenstischer grauer Qualm vor dem Nachthimmel, gequälte Gestalten und im Hintergrund geisterhaft glühende Flammen.
In einem Zelt an der Seitenwand des letzten noch stehenden Hauses hatten Cheftu und Meneptah eine behelfsmäßige Krankenstation eingerichtet. Hinter den rauchfleckigen Flachsvorhängen glomm Licht, weswegen die Heuschrecken von außen hochkrabbelten und den Stoff beschwerten.
Auf dem von Heuschrecken bedeckten Boden lagen Leichen. »Wir haben sie nach Familien geordnet«, erklärte Ehuru tonlos.
Chloe war froh, daß es dunkel war, obwohl die weiß leuchtenden nackten Knochen und die entsetzliche Stille deutlich genug von den vielen Toten zeugten. Der Gestank verbrannten Fleisches hing wie eine Trauerwolke über den schwelenden Ruinen, und Chloes Magen hatte sich bereits geleert, noch bevor sie auf den Hauptplatz traten.
Dort hockten dicht gedrängt die Überlebenden. Jene, die zum Überleben zu schwach waren, hatten Schmerzmittel bekommen und warteten nur noch darauf, daß sie starben und ihrem zornigen Gott gegenübertraten. Jene, die relativ unbeschadet davongekommen waren, saßen apathisch da und starrten vor sich hin. Die Sklaven waren vollkommen planlos: Wasser stand in Krügen knapp außerhalb der Reichweite von Menschen, die kurz vor dem Verdursten waren.
Alles und jeder war von Heuschrecken bedeckt. Sie begruben die Toten unter sich, sie vergifteten die Verwundeten, sie krabbelten auf den Lebenden herum.
Genau so stellte sich Chloe die Hölle vor. Sie hatte Angst, ihr war schlecht, und sie wünschte sich von Herzen, sie wäre nie hergekommen. »Der Brunnen ist voller Heuschrecken«, erklärte Ehuru. »Wir haben kein Wasser.«
»Herrin?« Die rauhe Stimme, tränenvoll und entfernt weiblich, ließ Chloe erstarren. Ihr Blick tastete sich durch die Dunkelheit, über die Berge sich bewegenden und totenstillen Fleisches.
»D’vorah?«
Das Israelitenmädchen trat vor, und Chloe unterdrückte einen Aufschrei. Sie hatte schwere Verbrennungen; Haare, Brauen und Wimpern waren abgesengt und hatten dunkle, verkrustete Wunden hinterlassen, die ein grauenvolles Relief auf dem rußigen Gesicht des Mädchens bildeten. Ihre Hände waren bandagiert, doch auf ihren geplatzten, blutigen Lippen lag ein Lächeln. »Wieso bist du gekommen, Herrin? Dies ist kein Ort für dich.«
Chloe biß sich auf die Lippen, um ihren Ekel zu unterdrücken. Medizin war nie ihre Stärke gewesen – sie war nicht einmal in der Lage gewesen, im Biologieunterricht einen Frosch zu sezieren. Selbst auf ihrem eigenen Körper empfand sie Schnittwunden und blaue Flecken als etwas Fremdes und Abstoßendes. Ihren Erste-Hilfe-Kurs hatte sie erst im dritten Anlauf bestanden, und selbst da war ihr
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