Time-Travel-Triologie 01 - Die Prophetin von Luxor
auf der Straße, und doch schien über allem ein sanfter Friede zu liegen.
Er zog die Umhänge herab, bemerkte dabei die Risse im Stoff, und nahm Chloes Arm, um sie wegzuführen. Sie gingen durch die kurvenreiche Gasse, ohne an irgendeinem Eingang Blutflecken zu entdecken. Sie gingen einfach weiter, doch an der Mündung der Straße drehte sich Cheftu um und sah zurück.
An jeder der nicht mit Blut gezeichneten Türen war ein sacht glühendes Zeichen zu sehen, als hätten die leuchtenden Klauen eines riesigen Raubtieres daran gekratzt. Neugierig eilte er zu ihrer Hütte am Marktplatz zurück. Kein Zeichen. Er lief ein paar Schritte in das Apiru-Viertel hinein. Keine Zeichen.
»Der Allgewaltige ist an uns vorübergegangen«, murmelte er vor sich hin, und mit neuer Kraft erfüllt lief er los, um zu Chloe und gemeinsam mit ihr zu dem warmen, wartenden Heim ihrer Freunde zu gelangen.
Schon waren die Straßen voller Menschen, die ihre wenigen Habseligkeiten zusammenpackten, während Moshe die Reichtümer unter ihnen verteilte. In der Stunde vor dem Anbruch des neuen Tages hatte ein weinender und gebrochener Thutmosis der Versammlung der betenden Apiru den Leichnam seines erstgeborenen Sohnes gebracht. Thut hatte ihnen seine Schätze und die Spenden zahlloser Adliger überreicht und war dann davongegangen, um sein lebloses achtjähriges Kind Anubis’ Armen zu übergeben.
Chloe erblickte D’vorah und umarmte sie. Dann wurde Chloe von Elishava abgestellt, beim Beladen der Esel zu helfen und die Kinder einzusammeln, während Cheftu zu Meneptah stieß, um mit den Übrigen die Vorräte zu verstauen.
Moshe hatte die riesige Menge in zwölf kleinere Stämme aufgeteilt, die jeweils durch eine Farbe und Standarte repräsentiert wurden. Innerhalb jedes Stammes gab es zwölf Männer, deren Aufgabe es war, die Ordnung in ihrem Stamm und die Verbindung zu den anderen Stämmen aufrechtzuerhalten.
Auf ihrem Weg in die Wüste würden noch mehr Gruppen von Israeliten zu ihnen stoßen: Familien aus den Häusern der Adligen entlang dem Fluß; andere Familien, die auf abgeschiedenen Gehöften lebten; jene, die verstreut in den Dörfern zwischen Zarub und Aiyat wohnten.
Es war unheimlich, so in der kühlen Morgendämmerung abzuziehen. Ägypter säumten die Straßen, blau gekleidet, mit offenem Haar, die Gesichter mit Asche beschmiert. Ein geschlagenes Volk bot sein Gold und seine Juwelen den Fremden dar, die durch das eigene Land zogen: Fremden mit einem mächtigen, rachsüchtigen Gott; Fremden, die noch nach vierhundert Jahren ihre eigene Sprache sprachen, ihre eigenen Verwandten heirateten und die einschultrigen Gewänder aus der Zeit vor zwei Dutzend Monarchien trugen.
Aus allen Straßen war Trauergeheul zu hören.
In regelmäßigen Abständen sah man Familien, die rasende Mütter zurückhielten, während sie mit ansehen mußten, wie jene, die einst ihre Freunde und Nachbarn gewesen waren, davonzogen, den Tod in ihrem Gefolge.
Die Israeliten durchschritten die Stadttore, und die Sonne schien mit all ihrer Pracht auf sie. Moshe ließ kurz haltmachen, und die Menschen sammelten sich um ihn. Chloe empfand ein unwiderstehliches Gefühl von Bestimmung. Cheftu sah zu ihr, während sie ein Stück Papyrus herauszog und eilig die Gesichter skizzierte, die sie als Künstlerin bis dahin nie zu fassen bekommen hatte. Die Striche flossen in einer Linie und vollkommen ungezwungen von ihrem Auge in die Hand.
Sie zeichnete den auf seinem Stab lehnenden Großvater, das Kind mit den Gänsen und ihren Geliebten, die markanten Züge seines Gesichts und das Feuer in seinen Augen, mit dem er sie über die Schulter hinweg ansah. Zitternd betrachtete sie das Bild … das Camille einst finden würde.
Was hatte das zu bedeuten?
Moshe blies ins Horn, und sie zogen weiter, eine Lumpenbande von Siegern, die abgesehen von ihren Gebeten nie zu einer Waffe gegriffen hatten. Chloe und Cheftu verschmolzen mit der langsam dahinschreitenden Menge: Alten, Kindern, jungen Müttern und ihren Hirtenmännern. Chloe schulterte den Korb mit ihren wenigen Kleidern, ihrer Palette, einer Schale ungesäuertem Brot und anderen notwendigen Dingen sowie dem Gold, das man ihnen vor ihrer Abreise gegeben hatte. Inzwischen war die Zollstation weit hinter ihnen, und Chloe mußte entgeistert lächeln, als ihr aufging, daß sie an dem Auszug des Volkes Israel aus Ägypten teilnahm.
Der Urquell der israelitischen Nation – der von den Ägyptern nirgendwo erwähnt wurde, da er ja
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