Time-Travel-Triologie 01 - Die Prophetin von Luxor
verstehen.
Herbeieilende Sklaven warnten Thut vor der bevorstehenden Schlacht. Müde erhob er sich, den Blick zu Boden gesenkt.
»Heiliger Osiris!« hörte er sie sagen. »Selbst im Garten des Gottes hat dieses Unheil zugeschlagen?« Aus ihrer Stimme sprachen Entrüstung und mehr als nur leise Angst. Sie sah nicht gut aus.
Ihr einst glänzendes schwarzes Haar war matt geworden und hing ihr in dünnen Zöpfen über den Rücken. Sie trug eine Tunika mit Schurz und zeigte ihren königlichen Rang nur durch den Brustschmuck zwischen ihren vollen Brüsten. Der Bleiglanz um ihre Augen hob die dunklen Schatten darunter noch hervor. Sie fixierte Thut, und er senkte den Kopf, ohne auch nur einen Gedanken daran zu verschwenden, ob sie zufrieden war oder nicht.
Sie wandte sich zu ihrem Gefolge um. »Bringt meinem Neffen und mir Bier und etwas zu essen!« verlangte sie. »Dann laßt uns allein.« Hat setzte sich auf die Bank ihm gegenüber und ließ den Blick über die blattlosen, knorrigen Weinranken und die winterlich laublosen Bäume wandern, deren Stämme nicht einmal mehr von Borke umhüllt waren.
Jeder Grashalm, jedes Papyrusrohr, jede Blüte in dieser so fruchtbaren Gegend … weggefressen.
Spürt sie wenigstens ein Beben in ihrer Seele, fragte er sich, wenn sie ihr verwüstetes Land und ihren Neffen sieht, der nur noch eine leere Hülle ist? Er hatte seit Tagen nicht mehr gebadet, und sein Gewand schlotterte ihm am Leib. Hat streckte eine mit Henna bemalte Hand aus und legte sie auf sein Bein. »Ich spüre deine Trauer, Thut. Auch ich habe niemanden.« Ihre Stimme brach, und sie richtete sich auf. »Ich habe niemanden mehr, der mir beisteht.«
Er sah sie scharf an. »Selbst in diesem Augenblick der Trauer kannst du nur an deine Macht und an die Thronnachfolge denken Hatschepsut?« Seine Stimme klang tränenrauh. »Hast du nicht das Herz einer Frau? Dein Liebhaber ist tot! Mein erstgeborener Sohn ist gestorben!« Sein Ausbruch versiegte, und er blickte stumpf auf seine Hände hinab.
»Vierzehn Mal war dieser Prophet an meinem Hof«, sagte er. »Vierzehn Mal! Als der Nil sich in Blut verwandelte, war ich überrascht, aber ich habe mir nicht allzu viele Sorgen gemacht. Als dann die Plagen genauso eintrafen, wie der Prophet prophezeit hatte, packte mich die Angst, doch ich war zu wütend, um die Worte zurückzunehmen, die der ›mächtige Horus-imNest‹ gesprochen hatte.«
Schweigend saß sie da.
»Als meine eigenen Ratgeber, Cheftu eingeschlossen, mich anflehten, die Sklaven ziehen zu lassen, habe ich das nicht über mich gebracht. Mein Stolz stand auf dem Spiel. Ich habe nicht an Ägypten gedacht, nur an meinen verletzten Stolz.
Als ich Moshe das letzte Mal gesehen habe, stand ich vor ihm wie eine leere Hülle und habe ihm gedroht. Inzwischen ist mir klar, daß der Tod für ihn keine Bedrohung sein konnte. Er hat mich nicht gefürchtet, denn sein Wüstengott hat stets gewußt, was ich tun würde.
Doch erst als ich Graf Makab tot daliegen sah, als ich meinen Freund Sennedjim tot daliegen sah und meinen Erstgeborenen Turankh leblos meinen Armen hielt – mein Weib Isis hat sich vor Gram das Leben genommen –, erst da habe ich begriffen, wie folgenschwer meine Entscheidung gewesen war.«
Er deutete auf die zur Stadt hinweisende Brustwehr. »In jener Nacht stand ich dort. Res schwaches Auge war wie Blut und schien sich über das ganze Volk zu ergießen. Haii-aii, Hatschepsut! Die Trauernden, die mir die Sicherheit ihrer Kinder anvertraut hatten! Mir! Einem Gott! Ich bin für alles verantwortlich.« Die Trauer in seiner Stimme war scharf wie eine zweischneidige Klinge.
»Mein Stolz hat eine ganze Generation das Leben gekostet.«
Thut vergrub das Gesicht in den Händen und stemmte sich mit den Schultern gegen die Tränen, die ein Gott nie vergießen durfte.
Lange blieben sie so sitzen in jenem verwüsteten Garten, voller Reue der eine … voller Rachdurst die andere.
VIERTER TEIL
14. KAPITEL
DER SINAI
Die Tage und Wochen verschwammen ineinander. Jede Nacht marschierten die Stämme weiter, stets der Feuersäule folgend, die sich tagsüber, während sie schliefen, in eine sanfte, schattenspendende Wolke verwandelte.
Cheftu verbrachte den Großteil seiner Zeit damit, typische Reisekrankheiten wie verstauchte Knöchel, gezerrte Muskeln oder Magenbeschwerden zu behandeln. Sie marschierten nicht mehr inmitten des israelitischen Zuges. Inzwischen bildeten sie die Nachhut. Meneptah, seine Mutter und D’vorah
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