Time-Travel-Triologie 01 - Die Prophetin von Luxor
nur ein einziges Mal stattgefunden hatte. Ein einziges Mal waren sie von herbeibefohlenen Plagen besiegt worden. Ein einziges Mal hatten sie unter einem blutigen Mondgewebe ihre Erstgeborenen verloren. Ein einziges Mal hatten ihre Sklaven Ägypten in Trümmern zurückgelassen. Nur ein einziges Mal.
Chloe drehte sich um, das Blickfeld eingegrenzt durch die Staubwolken, die diese sechstausend Familienverbände aufwirbelten. Das Rufen und Brüllen tausender Tiere und Kinder mischte sich mit dem Geplapper der Frauen und den aufgeregten Unterhaltungen der Männer zu ohrenbetäubendem Krach.
Moshe ließ sie nicht zur Ruhe kommen, denn er wußte um die psychologische Wichtigkeit, die riesigen Pylone, auf denen Hatschepsuts Triumphe aufgeschrieben waren, hinter sich zu lassen. Zum ersten Mal seit über vierhundert Jahren waren sie frei! Die Begeisterung um sie herum belebte alles, trotz der Erschöpfung nach dieser ersten Etappe von vielen Henti. Gegen Mittag des nächsten Tages stand die Sonne hoch und heiß am Himmel, ließ die Stämme langsamer werden und vor Erschöpfung verstummen. In der Abenddämmerung drängten die Israeliten dann wieder voran, alle angestrengt lauschend, ob sie nicht die Räder von Pharaos Streitwagen hinter sich hörten.
Am folgenden Mittag legte Moshe Halt ein, und die Tausende sanken erleichtert auf den glühendheißen Sand, aßen ungesäuertes Brot und fielen sofort in einen besinnungslosen Schlaf.
Chloe war so erschöpft, daß sie kaum denken konnte. Cheftu hatte aus ihren Körben und Umhängen einen Sandschutz gebaut, hinter dem sie augenblicklich einschliefen, um erfrischt in der kalten Nachtluft zu erwachen.
Nachdem sie ihre Umhänge gegen die Kälte umgelegt hatten, aßen sie Datteln und Trauben, die Meneptahs Familie ihnen abgegeben hatte, um schließlich wieder ihre Körbe zu schultern. Als sich die Stämme um Moshe versammelt hatten, Abrahams Sterne millionenfach über sich, senkte sich Schweigen über die Menge.
Moshe warf sich zu Boden, und die Stämme taten es ihm gleich, denn hinter Moshe stieg eine Flammensäule auf, die bis in den Himmel reichte, sich windend und Flammen speiend, doch ohne irgend etwas zu verbrennen oder Wärme abzugeben.
Der ehemalige ägyptische Prinz erhob sich und rief über die ehrfürchtig gesenkten Köpfe hinweg: »Höre, o Israel! Elohim ist der eine Gott! Er geht uns voran! Sehet das Feuer seiner Macht, seiner Weisheit und seines Ruhmes! Erhebt euch!« Wie ein Mann erhoben sie sich und folgten dem Flammentornado.
Cheftu blieb wie angewurzelt und mit aschfahlem Gesicht stehen. »Ist dir klar, wohin wir gehen, Geliebte?« fragte er.
»Wir sehen so große Wunder und werden doch so bald vergessen.«
»Wann erwarten wir Thut?« fragte Chloe ruhig.
Er drehte sich um und antwortete: »Es sind schon mehrere Tage vergangen. Wenn sie jetzt noch nicht da sind, dann werden sie vielleicht erst nach den siebzig Tagen kommen, die man zur Einbalsamierung braucht. Damit hätten wir siebzig Tage, um ans Meer zu gelangen.«
Chloe nickte und hatte erneut das Gemetzel in Ägypten vor Augen. Die zahllosen Toten, die einbalsamiert, begraben und betrauert werden mußten. Die vielen Menschen, auf die Ägypten wegen eines sturen Königs und eines allmächtigen Gottes würde verzichten müssen. Sie schleppte sich an Cheftus Seite weiter, während ihr Geist wie ein psychotischer Schmetterling von einem Ereignis zum nächsten taumelte.
GOSHEN
»Pharao, ewig möge sie leben!, ist hier eingetroffen«, rief Ameni Thut zu.
Er saß in seinem braunen, kahlen Garten, wo die Brunnen bis auf ein paar dunkle Stellen ausgetrocknet waren, ein Überbleibsel des Blutes, das sie einst gefüllt hatte, bis der Israelit auf Thuts Bitte hin dieser Plage ein Ende gemacht hatte.
Thut war unrasiert, in sein blaues Trauergewand gekleidet, und seine Augen waren rot von den Qualen der Menschen, die ihn besucht hatten. Seine Magier hatten ihn, ihre Kinder oder Geschwister am Arm haltend, für die Sturheit verflucht, die ihre Angehörigen das Leben gekostet hatte.
Er war nicht bereit, Pharao gegenüberzutreten, nicht solange er zugeben mußte, daß die Israeliten, diese unwissenden, ungehorsamen Sklaven, ihn besiegt hatten. Vielleicht war er tatsächlich nicht geeignet für den Thron, dachte Thut. Im Grunde wollte er nur, daß er und sein Volk in absoluter, vollkommener Sicherheit leben und beten konnten.
Er fuhr sich mit zittriger Hand über das Gesicht. Sie würde das nicht
Weitere Kostenlose Bücher