Time-Travel-Triologie 01 - Die Prophetin von Luxor
glühendheißen Nachmittag. Cheftu hob den Kopf und blickte mit den von Holzkohle geschützten Augen in die Ferne.
»Brauche eine Höhle. Muß ausruhen.«
Chloe blickte auf; die dunklen Löcher in den umgebenden Bergen versprachen Kühle und Schutz. Sie leckte ein paar Wassertropfen vom Pfropf ihres Wasserschlauchs. Sie verdampften, fast ehe sie die Lippen erreicht hatten. Mit zitternden Händen stopfte sie den Schlauch zurück in ihre Schärpe. Cheftu sah grau aus unter seiner mahagonibraunen Haut. Die Wunde in seinem Schenkel war schwarz von Fliegen: ein lebendiger Verband.
»Wir ruhen uns aus. Und gehen dann nach Nordwesten weiter.«
Wie weit noch? Wie viele Tage? Ihr war klar, daß es ihr Todesurteil sein konnte, wenn sie ihr Ziel nur um ein paar hundert Meter verfehlten. Sie schliefen im Schatten eines Felsüberhangs, und Cheftu grillte ihnen eine Schlange zum Abendessen. Dann zogen sie unter dem Sternenzelt weiter. Schweigend.
Der nächste Tag dehnte sich für Chloe in Jahrzehnte. Ihre Kehle war so trocken, daß sie bei jedem Schlucken zu springen schien. Ihre Zunge war angeschwollen. Als sie sich die Nase rieb, war ihre Hand blutig von der geplatzten Schleimhaut. Sie zog ihr zerlumptes weißes Gewand fester um sich, um die gierige Sonne wenigstens etwas abzuwehren.
Cheftus Wunde war infiziert und schwoll immer mehr an. Er humpelte und hinkte, taumelte weiter, mühte sich mit baumelndem Kopf in halb besinnungslosem Schlaf Schritt um Schritt vorwärts. Chloe spürte, wie die Sonne mit ihren Klauen an ihrer Haut zerrte, wie sie ihre Lider versengte, bei jedem Schritt von einem glühendheißen, steinigen Sandfleck zum nächsten.
Ihr Körper verwandelte sich in ein Gefängnis aus Hitze und Schmerz, und sie spürte, wie sie nach oben gezogen wurde als könnte sie himmelwärts fliegen und sich auf diese Weise von dem geschundenen, gemarterten Fleisch befreien, das sie an die Erde kettete. Cheftu sank in die Knie und zog sie nach unten. Chloe geriet in Panik, als sie spürte, wie heiß sein Fleisch brannte; seine Augen blieben zu, und sein Puls war nur noch zu ahnen. Die nächste Rast; die nächste Höhle. Sie brauchten eine Höhle.
Sie stand auf und sah sich um. Das Gelände änderte sich allmählich, die turmhohen Felsklippen wichen weicheren Bergen, der Boden wirkte sandiger. Sie sah einen Überhang, packte Cheftu um die Taille und schleifte ihn über eine Art Ziegenpfad hinauf. Unter dem Felsen legte sie ihn ab, rückte seinen Körper in den Schatten und wedelte ihm erschöpft mit dem Rand ihres Umhangs Luft ins Gesicht.
Sie brauchten Wasser – nicht nur die paar Tropfen, die noch in ihrem Wasserschlauch waren, sondern viel Wasser, in dem sie sein brennendes Fleisch baden konnte. Und sein Bein … der Gestank brachte ihren Magen zum Rebellieren. Sie stützte den Kopf in die Hände. Bitte, Gott, hilf mir! Die Lider schlossen sich über ihren brennenden Augäpfeln, und sie spürte eine ganz, ganz sanfte Brise durch ihre Kleider wehen.
White Rock, flüsterte eine Stimme in ihr. Sie wachte abrupt auf. White Rock? So hieß ein See in Dallas, aber wieso mußte sie ausgerechnet jetzt daran denken?
Denk an Moses. Nicht an den Menschen, sondern an die Geschichten. White Rock … weißer Fels.
Chloe preßte sich die bebenden Finger gegen die Schläfen. Wurde sie allmählich verrückt? Plötzlich sah sie vor ihrem inneren Auge Joseph am Tisch sitzen und über den Tanach debattieren. Moses durfte nicht ins Gelobte Land, weil er den Fels geschlagen hatte! Joseph hatte gemeint, Moses hätte den Fels nicht schlagen zu brauchen. Man brauchte nur unter Kalkstein zu graben, und schon fand man Wasser.
Benommen richtete sie sich auf. Cheftu schlief im hitzegeschwängerten Nachmittag, sein Bein eine blutige Masse, die Haut zerkratzt, fleckig, blasig. Chloe schirmte die Augen ab und hielt von ihrem Beobachtungsposten im Hügel aus Ausschau nach einem weißen Felsen in der Nähe. Nachdem sie beide Wasserschläuche in ihrem Gürtel festgesteckt und ihren Umhang gepackt hatte, kletterte sie von ihrem Überhang wieder hinunter, bis sie auf den letzten Metern ins Rutschen kam. O Gott, dachte sie, hilf mir, den richtigen weißen Fleck zu erkennen.
Ersehnte Kühle umgab ihn, umhüllte ihn. Sie roch nach Ziege. Cheftu zuckte zusammen, zitterte und entspannte sich wieder, als er langfingrige Hände auf seinem Leib spürte. Sie spendeten Linderung, Trost, Erleichterung. Die Schwärze um ihn herum wurde dichter, und er ließ sich
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