Time-Travel-Triologie 01 - Die Prophetin von Luxor
hineinfallen.
Chloe zurrte den nassen Umhang fester um Cheftu, obwohl der Wind durch den Wadi zu wehen begann und sie ihn bald wieder abnehmen müßte, da ihm sonst zu kalt wurde. Er glühte vor Fieber, und sein heißer Körper trocknete das Tuch in wenigen Minuten. Er war zusammengezuckt, als sie versucht hatte, die Haut um seine Wunde herum zu reinigen, und gleich darauf in Ohnmacht gefallen. Die Wunde faulte; sie mußte augenblicklich etwas unternehmen, sonst würde es zu einer Blutvergiftung kommen. Sie hatte kein Antiseptikum, keine Instrumente, keine Antibiotika. Ihr fiel nur eine Lösung ein, und die war barbarisch.
Ihr blieb keine Wahl.
Um Kraft betend, sammelte sie eine Handvoll Zunder und holte ein paar von Cheftus Kräutern heraus sowie eine ihrer Papyruszeichnungen. Mit zitternden Händen zerfetzte sie alles zu einem kleinen Haufen und griff dann zum Feuerstein. Dann machte sie mit zunehmender Ungeduld und nervös zuckendem Magen ein Feuer.
Sie durchbohrte den Schorf und drückte die Wunde zusammen. Widerlicher Eiter quoll heraus und damit auch die Infektion, wie sie hoffte. Dann reinigte sie den Schnitt mit Wasser und seinen Kräutern und übergoß ihn immer wieder mit Wasser, bis es blaßrosa aus der offenen Stelle floß. Nur noch Blut.
Sie wickelte einen Stoffetzen aus ihrem Gewand um den Griff des Messers und hielt die Klinge ins Feuer, bis sie erst schwarz wurde und dann rot glühte. Mit tränenüberströmtem Gesicht, aber vollends ruhiger Hand legte sie die glühende Klinge auf die frisch gereinigte Wunde. Cheftu brüllte auf, schoß hoch und fiel erneut in Ohnmacht. Den beißenden Gestank verbrannten Fleisches in der Nase, legte Chloe die Klinge auf eine andere Stelle des klaffenden Schnittes, bis die ganze Wunde kauterisiert und das Fleisch verschweißt war und heilen konnte.
Die nächste Stunde brachte sie damit zu, sich unten an der Klippe in den Sand zu übergeben. Für einen Moment hatte er die Augen aufgeschlagen, dann hatte ihn der Schmerz überwältigt, und er war wieder bewußtlos geworden. Chloe betete zum Himmel, daß sie die richtige Entscheidung getroffen hatte. Sie hatte einige von Cheftus Heilkräutern auf die zornig rote Stelle gepackt. Sie mußte unbedingt trocken bleiben. Das dürfte eigentlich keine Probleme bereiten – mitten in der Wüste.
Er hatte während der vergangenen Woche an Gewicht verloren, doch immer noch zeichneten sich Muskeln und Sehnen unter seiner Haut ab. Leider konnte sie ebenfalls seine Rippen zählen und seine Hüftknochen mitsamt den darunterliegenden Gelenken erkennen. Die Umrisse nachfühlend, tastete sie den Körper ab, den sie so sehr und so oft geliebt hatte … die Arme, die sie gewiegt hatten, die für sie gesorgt hatten, die sie beschützt und immer wieder voller Leidenschaft umschlossen hatten. In ihren Augen brannten Tränen, die sie so gern vergossen hätte, für die sie aber nicht mehr genug Feuchtigkeit im Leib hatte. Was sie alles noch nicht erlebt hatten, wo sie überall noch nicht gewesen waren … was sie alles noch nicht besprochen hatten.
»Ach Cheftu«, flüsterte sie und kühlte seine heiße Stirn mit Wasser. Sie mußte schniefen, so sehnte sie sich nach seiner Stimme, seinem leisen Lachen, der hochgezogenen Braue. »Ich habe dir nie von meiner Familie erzählt«, sagte sie. »Über meinen Vater müßtest du wahrscheinlich lachen. Er hat dunkles Haar, und er näselt. Nicht schlimm, aber hörbar. Ach ja, und meine Mimi. Von ihr habe ich mein rotes Haar … Ach Cheftu, Mimi wäre begeistert von dir.« Chloe schluckte einen trockenen Schluchzer hinunter. »Bitte bleib bei mir, Liebling. Bitte geh nicht vor mir zu Mimi!« Tränen brannten ihr in den Augen. »Ich wünschte, wir hätten wenigstens ein einziges Mal zusammen Weihnachten feiern können. In Reglim. Da wohnt sie … da hat sie gewohnt. In einem riesigen Haus mit einer umlaufenden Veranda und einem Pfirsichgarten dahinter.« Chloe schniefte. »An Weihnachten bäckt sie dauernd wie eine Wahnsinnige.« Die Erinnerung daran machte ihr den Mund wäßrig. »Sie ist eine typische Südstaatenschönheit, und sie ist der festen Überzeugung, daß keine Mahlzeit vollständig ist, bei der es nicht mindestens fünf verschiedene Pasteten, drei Sorten Fleisch und, wie sie es ausdrücken würde, einen ganzen Schlag Gemüse aus dem Garten gibt.«
Chloes Blick wanderte über die Weite der silbrigen ägyptischen Wüste. Sie sah fast weiß aus, wie aus Schnee. »Ich weiß noch, wie es mal so
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