Time-Travel-Triologie 01 - Die Prophetin von Luxor
Plötzlich brach der Braune mit einem erbarmungswürdigen Schrei zusammen, und der gesamte Streitwagen kam mit dem letzten Pferd zum Stehen.
Chloe und Cheftu sahen einander an; das war ihre Chance! Der Unteroffizier lief, ägyptische Flüche ausstoßend, mit den Soldaten nach vorn. Ein paar Sekunden lang kümmerte sich niemand um Cheftu und Chloe. Cheftu schaffte es, sich aus dem schlaffen Seil zu befreien und einen Soldaten mit einem Speer außer Gefecht zu setzen.
Der Unteroffizier brüllte: Chloe drehte sich um und sah die anderen beiden Soldaten auf sie zutaumeln, sich mühsam auf den Beinen haltend, denn der Wadi war mit spitzen Steinen übersät. Cheftu drückte ihr ein Messer in die Hand, sie kniete nieder und befreite sich selbst. Noch während sie ihre Sachen und das letzte Wasser der Soldaten aufsammelte, hörte sie Kampfgeräusche. Cheftus Köcher und ihren Bogen vor der Brust, verkroch sie sich hinter dem Pferd, das nervös vor seinem toten Artgenossen zurückscheute. Um sie herum hörte sie Knochen knacken und Fleisch auf Fleisch prallen.
Cheftu und der Unteroffizier wälzten sich im Sand, die Fäuste flogen. Die anderen Soldaten kamen ihrem Kameraden zu Hilfe. Chloe setzte einen Pfeil auf die Sehne, zielte und schoß. Ein Soldat fiel tot zu Boden, der zweite suchte Schutz. Cheftu schrie auf, und Chloe sah, daß der Unteroffizier ihn in den Schenkel gestochen hatte. Das Blut färbte alle beide rot. Cheftu würde unterliegen, der tagelange Hunger und die Gewaltmärsche hatten ihn alle Kraft gekostet. Sie kreischte auf, lenkte damit den Unteroffizier für einen Sekundenbruchteil ab und ermöglichte es Cheftu auf diese Weise, seine letzte Kraft zu einem entscheidenden Schlag zu bündeln. Chloe durchschnitt das Zaumzeug des Pferdes und zog sich hoch. Das Pferd stieg auf die Hinterbeine und zertrampelte den verwundeten Soldaten. Bleich kam Cheftu auf sie zugelaufen. Stöhnend zog er sich hinter ihr auf den Pferderücken, dann ritten sie durch das gewundene Felstal nach Westen, in die untergehende Sonne.
Die Sonne sog alle Farben aus dem Sinai, und das Pferd kam ins Straucheln. Sie hatten nichts zu essen und kaum Wasser, und ihre einzige Möglichkeit, sich einen Vorsprung zu schaffen, bestand darin, das Pferd zu reiten, bis es tot zusammenbrach. Im Westen erhob sich ein Gebirge, das Tausende von Metern in den Himmel aufstieg. Bald würden die Berge über Hentis hinweg ihren Schatten werfen. Schatten, dachte Chloe, dann sind wir im Schatten.
Sie dösten beide ein, während das Pferd keuchend immer langsamer wurde. In der Morgendämmerung des nächsten Tages brach das Tier endgültig zusammen, in den Vorderbeinen einknickend wie ein Kamel. Wenn sie nicht geschnappt werden wollten, mußten sie in aller Eile weiterziehen. Über ihnen kreisten Geier, und hastig schnitt Cheftu, verschwitzt und bleich, ein paar Fleischstücke aus dem Pferdekadaver. Ein verdorrter Busch diente als Feuerholz, und wenig später rissen sie mit den Zähnen das zähe Fleisch ab.
»Wo sind wir?« fragte Chloe, die dank des Eiweißnachschubs in ihren Adern endlich wieder zusammenhängend denken konnte.
Cheftu deutete auf den himmelhohen Berg. »Gebel Musa.« »Das ist aber nicht Moses’ Berg. Wir sind nicht durch die Wüste gewandert.« Sie überlegte einen Moment. »Wo erhält er die Zehn Gebote?«
»Auf einem Berg am anderen Ufer des Meeres, würde ich annehmen«, antwortete Cheftu halb lallend.
»Da ist die Arabische Halbinsel … was für eine Ironie«, sagte sie mit kratzigem Lachen.
»Wir müssen weiter, solange wir etwas zu essen haben.« Er kam unsicher hoch. »Diese Vögel werden nicht mehr lange warten … und das willst du dir bestimmt nicht ansehen.«
Sie schwangen ihre Körbe über die Schulter und banden ihre Umhänge fester, um gegen den Wind geschützt zu sein.
»Wohin gehen wir?«
»Oase. Vor uns.« Cheftu stolperte los, und sie taumelten weiter.
Chloes Lungen fühlten sich an, als stünden sie in Flammen. Sie hatte das Gefühl, ihr ganzes Leben nur gewandert zu sein, und sie wollte keinen Schritt weiter. Die Hitze nahm ihr die Sicht. Sie sah Punkte. Cheftu riß sie, seine verschwitzte Hand in ihrer, hoch, wenn sie strauchelte. Immer tiefer marschierten sie in dieses ungastliche, felsige und öde Land hinein. Chloe fiel wieder, und Cheftu blieb neben ihr stehen, die Hände auf die nackten Knie gestützt, nach Luft röchelnd. Um sie herum lastete absolute Stille. Kein anderes Geräusch durchdrang den
Weitere Kostenlose Bücher