Time-Travel-Triologie 01 - Die Prophetin von Luxor
kalt war, daß es sogar geschneit hat. Es schneit so gut wie nie in Osttexas. Doch damals hat sich der Schnee entlang den Straßen und an den Hauswänden gesammelt. Von der Veranda hingen Eiszapfen, und die Schaukel war so kalt, daß einem fast die Finger klebenblieben.« Sie schloß die Augen und erzählte ihm weiter von der Kälte. Dem Eis. Dem Schnee. Sie badete seinen Körper und sang dabei Weihnachtslieder. Sie beschrieb ihm, wie sie zu rodeln versucht hatte und wie sie dabei schließlich im Krankenhaus gelandet war. Sie erzählte ihm von jeder Schneeflocke, die sie gesehen hatte, und davon, wie sie als Kind eine ganze Schachtel Blaupausenpapier in Fetzen geschnippelt hatte, um sich Schneeflocken zu basteln. Chloe legte den Kopf auf die Arme, wiegte sich im Takt der Musik und bibberte in ihrem Rippsamtkleidchen. Sie brauchte Handschuhe. Vielleicht würde sie ja welche zu Weihnachten bekommen?
Cheftu zitterte. Ein eisiger Wind schnitt durch seine Kleider, und ganz leise hörte er »Adeste Fideles« säuseln. Schon ewig hatte ihm niemand mehr ein Lied gesungen, während er eingepackt vor einem prasselnden Feuer saß und draußen kalter Winter herrschte. Plötzlich schlug er die Augen auf … und sah nichts als Nacht. Über den gesamten Himmel, von einem Horizont zum anderen, zogen sich Sterne: ein angenehmes Licht verglichen mit der Sonne. Er wußte, daß in ihm das Fieber tobte, doch mit der Kälte der Nacht hatte sich auch sein Geist aufgeklart. Er drehte sich um und sah Chloe, die sich, die Knie an die Brust gezogen und den Kopf darauf gebettet, leise hin und her wiegte und dabei Fragmente von Weihnachtsliedern sang.
Er spürte die Kälte um ihn herum, warme Decken und Cidre. Er sah ihre Welt der Pfirsichbäume und Eiszapfen. Sie hatte ihn bezaubert, sie hatte mit ihrer Litanei seinen Geist aus seinem schmerzgepeinigten Körper in ihre Welt gelockt. Jetzt wollte er Wasser. »Chloe?«
Ihr Kopf schoß hoch; die Augen darin waren groß und schwarz wie der Himmel. »Du mußt schlafen.« Sie sprach wie ein Automat, und Cheftu begriff mit schmerzlicher Klarheit, daß sie ebenfalls kaum mehr als eine wandelnde Leiche war. Brennender Schmerz schoß durch sein Bein. Chloe tröpfelte Wasser – frisches, kühles Wasser – in seinen Mund, und Cheftu schluckte krampfhaft … dann sank er zurück in die Besinnungslosigkeit.
Mit wackligen Beinen und benebeltem Verstand kletterte Chloe die Klippe hinunter. Sie mußte etwas zu essen finden. Cheftu brauchte etwas zu essen. Ein klagender Ruf ließ sie stehenbleiben und ihren Geist für einen Moment klar werden. Wilde Tiere! Wie konnte sie sich dagegen verteidigen?
Da war das Geräusch schon wieder.
Sie hatte keine Kraft mehr zum Fliehen, doch wenn ihr etwas zustieß, würde Cheftu mit Sicherheit sterben. Sie spürte Blicke in ihrem Rücken, drehte den Kopf und starrte in die Dunkelheit. Sie konnte nichts erkennen.
Dann hörte sie ein anderes Geräusch – ein leises Schlittern. Die Sterne funkelten durch die Nacht, und Chloe spürte, wie sich ihre Nackenhaare aufstellten. In Zeitlupe drehte sie sich um, dann sah sie sie: eine Schlange, die über den warmen Sand schlängelte, direkt an ihr vorbei. Sie hatte keine Ahnung, was für eine Art es war oder was sie ihr antun konnte. Die schwarzen Augen blickten in ihre, dann hob sich der Kopf und wiegte sich hin und her wie in einer tödlichen Beschwörung. Chloe hörte nichts mehr; ihr dröhnte nur noch das Blut in den Ohren, und jede Zelle ihres Körpers bettelte um ein paar Nächte, ein paar Tage mehr, und sei es hier in der Wüste. Sie hatte die Augen schon halb geschlossen, als ein pelziges Etwas durch die Nacht geschossen kam und ein ersticktes Knurren und Jaulen durch die Schlucht hallte. Chloe sprang gehetzt die Klippe wieder hoch; plötzlich war die Nacht nur allzu lebendig und gefährlich. Sie brauchten gar keine Soldaten. Auch andere Wesen konnten sie mit Leichtigkeit töten.
Weiche Pfoten huschten über den felsigen Sand zu ihr her, dann warf ihr Thief den Schlangenkadaver vor die Füße und sah sie um Lob heischend an.
Er bekam es. Chloe ging dankbar vor ihm in die Hocke, obwohl ihre Rückenmuskeln energisch dagegen protestierten, daß sie den mittlerweile recht massigen Pelz- und Pfotenball hochhob. Thief begann in der Dunkelheit kehlig zu schnurren. Wie sie beide sah auch er nicht gut aus. Sein Fell war verfilzt, und er schien auf seiner linken Hinterpfote zu humpeln. Dennoch folgte er ihr hinauf zu Cheftu und
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