Time-Travel-Triologie 01 - Die Prophetin von Luxor
Hörner und einer Scheibe auszumachen meinte. Er blickte in die Richtung, in welche die Hörner zeigten, und entdeckte den hinter Gestrüpp und Ostraca verborgenen Pfad. Über und auf die Steinscherben steigend, betrat er ihn und folgte ihm durch das struppige Unterholz. Der Pfad senkte sich, wie er noch wußte, und endete unerwartet vor einer Tür.
Thut erinnerte sich an die Tür, die in der unnachgiebigen Dunkelheit vor vielen Monaten einen Spaltweit offengestanden hatte. Er drückte sie nach innen, und sie gab nach. Sobald er in die kleine Steinkammer trat, sah er die blutbefleckte steinerne Liege. Die arme Kleine, dachte er. Sie war so jung, so unschuldig gewesen. Man hatte sie unter Drogen gesetzt, begriff er jetzt. Sie hatte vor ihm keinen Mann gekannt, doch er würde schätzen, daß sie sehr wohl sinnliche Erfahrungen gemacht hatte. Ihre Reaktionen hatten das bezeugt.
Möge es den Göttern gefallen, daß Ägypten nie wieder zu solch archaischen Ritualen Zuflucht suchen mußte! Die Götter wollten kein Menschenblut, und Thut fühlte sich immer noch befleckt durch das Opfer, das er gebracht hatte. ReShera hatte sie geheißen, und er war überzeugt, daß er sie schon früher gesehen hatte.
Mit leise klatschenden Sandalen durchquerte er den Raum. Weshalb war er hergekommen? Weshalb?
Weil irgend etwas nicht stimmte. Hatschepsut hatte ihr Urteil zu schnell gefällt, und Cheftu war völlig überrascht gewesen, als er das Mädchen gesehen hatte. Hatte er nicht sogar erzählt, er hätte sie für älter gehalten? Nicht einmal die Schwesternschaft hatte RaEm verfolgt, wie es angebracht gewesen wäre, sondern sie ziehen lassen und Hathor statt dessen mit zwei Priesterinnen zu wenig gehuldigt.
Natürlich hatte die neue RaEmhetep-Priesterin den frei gewordenen Platz eingenommen, doch sie war erst vier Jahre alt. Thut, königlicher Prinz Ägyptens und geweiht in den Sieben Stufen der Priesterschaft Wasets sowie den Drei Stufen des Tempels-des-Kas-Ptahs, wußte, daß es unklug war, auf solche Weise Gottesdienst zu halten.
Er ließ sich auf die steinerne Bank sinken und starrte hinaus in die ersten morgendlichen Sonnenstrahlen, die ihren Weg durch die Fensteröffnung suchten. Der jetzt vom Sonnenlicht erhellte Raum war seit jenem düsteren Tag nicht mehr geöffnet worden. In den Ecken sammelte sich als Zeugnis der wütenden Plagen der Müll. Immer noch leuchtete der Blutfleck wie ein tiefes Schandmal in diesem Raum, der aus jungfräulichem, seit Dynastien nicht mehr verwendetem Stein aus dem Alten Königreich errichtet worden war.
Wütend und ohne zu wissen warum trat er gegen den Müllhaufen. Ein metallisches Klirren weckte seine Aufmerksamkeit. Auf dem Boden kniend und ohne auf den toten, verwesenden Abfall an seinen nackten Händen zu achten, fegte er das faulende Laub auseinander und tastete nach dem Gegenstand, von dem das Geräusch ausgegangen war. Lange wühlte er herum, doch dann hatten seine Finger ihn erspürt … eine Kette.
Die Inschrift auf dem winzigen Goldskarabäus war selbst im schwachen Morgenlicht gut zu lesen. Die Konsequenzen, die sich daraus ergaben, waren atemberaubend. Er blickte sich noch einmal im Raum um, einem Raum, den nur er und eine Priesterin je betreten hatten. Er selbst hatte ihren blutleeren Leichnam an die Tür getragen. Thutmosis schluckte. In seiner Hand lag ein goldener Skarabäus.
Gold, wie es eine Hathor-Priesterin nie tragen durfte. Und auf dem Gold stand ein ganz anderer Name als jener, den die Priesterin angegeben hatte.
»Basha.«
Thut stürzte aus dem Raum und wäre fast den Hügel hochgerannt, so eilig hatte er es, zum Tempel zu kommen. Er wollte Antworten hören.
Cheftu erwachte in Ägypten. Wenigstens sah es so aus wie Ägypten. Er roch die bei den Tempelritualen verwendete Myrrhe, sein Leib ruhte auf den straff gespannten Bändern eines ägyptischen Bettes, und er spürte einen ausgeklügelten Leinenverband um sein Bein – nach ägyptischem Muster. Eigenartig, doch seine letzten Erinnerungen handelten von Hitze, Kälte, Felsen, Sand und tobendem Schmerz, während sie ständig weiterflohen und nicht einmal eine Sekunde lang innezuhalten wagten, um sich umzudrehen und nach ihren Verfolgern Ausschau zu halten.
Wo war Chloe? Er murmelte ihren Namen und spürte eine kühle Hand auf seiner Stirn, jedoch nicht ihre. Eine Stimme, geschlechtslos und herrisch, sprach zu ihm: »Eure Zeit zusammen ist bemessen, Herr.« Was hatte das zu bedeuten? Die Angst, die diese Auskunft
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