Time-Travel-Triologie 01 - Die Prophetin von Luxor
Schriftrollen zu kommen, und ich lehrte mir selbst ihre Sprache. Ich begann, Ramoses während seiner Tagesarbeiten zu belauschen.
Er betete zu einem fremden Gott. Er betete wie ein Kind: Er sang mit seelischer und geistiger Hingabe Lieder, die er eigentlich nicht verstehen konnte.« Der Alte nahm einen weiteren Schluck und fuhr sich mit der Zunge über die Lippen.
»Schließlich war die Zeit reif, ihn aus den Tagen des Zornes zu entlassen und ihn in die Schlacht gegen die Khaibits zu schikken. Er durchlief alle übrigen Stadien der Initiation und wurde im Alter von vierzehn Jahren von seinem Vater freudig wieder aufgenommen.
Obwohl er noch ein halbes Kind war, nahm Thut ihn mit auf seine Feldzüge und ermunterte ihn, seinen Horizont auf jede nur erdenkliche Weise zu erweitern. Ich hielt mich bedeckt und fragte mich gleichzeitig, wie teuer meine Feigheit Ägypten wohl zu stehen kommen würde. Ramoses wurde erwachsen, heiratete, konnte aber keine Kinder zeugen. Thut schämte sich für ihn, darum schickte er ihn auf Kriegszüge außer Landes.
Ramoses blieb lange auf dem Sinai, und nach seiner Rückkehr reiste er nach Avaris. Ich war mir nicht sicher, ob er das tat, weil er seine alte Amme besuchen wollte – in aller Heimlichkeit, wohlgemerkt – oder seinen geliebten Cousin NeferNebeku, den Wesir des Straußen-Gaus.
Thut der Erste bekam noch mehr Kinder. Seine erste Frau gebar eine liebreizende Tochter und dann noch eine zweite, die Hatschepset genannt wurde. Etwa zu der Zeit, als Hatschepset schon in der Schule, aber noch ein Kind war, tötete Ramoses Nefer-Nebeku; er war Hatschepsets Verlobter. Bis Thut die Neuigkeit erfuhr, war Ramoses bereits in die Wüste geflohen. Thut opferte viele Männer auf der Suche nach seinem umherirrenden Sohn. Er war bereit, Ramoses zu vergeben, bis ein israelitischer Sklave namens Do’Tan bei ihm vorsprach und behauptete, Ramoses habe seinen königlichen Cousin bei einer Auseinandersetzung um eine Sklavin getötet.« Imhotep lachte leise, doch diesmal klang sein Lachen freudlos. »Thut war außer sich. Seine älteste Tochter war eben unter mysteriösen Umständen gestorben, sein jüngerer Sohn hatte nicht einmal die Wiege überlebt, und sein mittlerer Sohn war ein Schwächling, der von einer gewöhnlichen Sklavin abstammte. Hatschepset war die einzig mögliche Nachfolgerin.
Er rief seine Soldaten aus der Wüste zurück und befahl, im ganzen Land Ramoses’ Kartusche von allen Schriften und Bauten zu entfernen und sie durch die Hatschepsets zu ersetzen, deren Name er in Hatschepsut, ewig möge sie leben!, geändert hatte.«
Natürlich, dachte Chloe. Auf diese Weise war es nicht mehr der Name einer Adligen, sondern der Name der Ranghöchsten unter allen Adligen. »Ewig möge sie (oder er) leben!« war ein Namenszusatz, den jeder Pharao erbte und den Moshe bei seinen Unterredungen mit ihr jedesmal unterschlagen hatte. »Möglicherweise, weil sie der Kronprinz sein sollte, trug sie weiterhin Männerkleidung, obwohl das einen Skandal gab, als sie erst einmal sechzehn Überschwemmungen alt war.« Er hielt inne und fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. »Ich glaubte damals, ich sei in Sicherheit und Thut hätte mich vergessen.
Leider hatte ich mich da geirrt. Eines Tages kamen, während ich gerade in den Heiligen Schriften Ptahs las, Soldaten in den Tempel und schleppten mich fort. Pharao erklärte mir, aufgrund der Dienste, die meine Familie Ägypten früher erwiesen hätte, ließe er mir die Wahl. Ich könne entweder sieben Überschwemmungen lang im Tempel von Noph dienen, um dann als Verräter hingerichtet zu werden, oder ich würde auf der Stelle verbannt und müßte den Rest meines Lebens außerhalb von Ägyptens Glanz verbringen.«
»Also hast du dich für die Verbannung entschieden«, sagte Chloe.
»Nein. Ich habe den Tempel gewählt.«
Chloe runzelte verwundert die Stirn.
»Noch bevor meine Zeit zu Ende ging, war Pharao zu Osiris aufgestiegen. Hatschepsut mußte Thutmosis den Zweiten heiraten, ewig möge er leben!, und ich stand vorübergehend nicht im Fackellicht«, erklärte er.
»Wann hast du dann dein Leben als Anu aufgenommen?« Imhotep schauderte und erbleichte. »Als ich etwas so Grauenhaftes im Tempel-des-Kas-Ptahs in Noph gesehen habe, daß ich wußte, dies ist kein Anblick für menschliche Augen.« Chloes Herz setzte einen Schlag aus. »Was denn? Was hast du gesehen?«
Seine schwarzen Augen bohrten sich in ihre. »Ist dir klar, daß ich diese Kraft von
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