Time-Travel-Triologie 01 - Die Prophetin von Luxor
aus ihrer Fessel befreit und saß hellwach da, das Seilende im Maul, den Fellhintern auf der Kartusche. Er sah ihnen mit hellbraunen Augen nach, und Chloe ahnte, daß er begriff, wie sehr er geliebt wurde. Sie wußte, daß er ihr verzieh und daß er sie verstand. Ein Schauer lief über ihren Rücken. Generationen von Löwen, fiel ihr ein. Er wird nicht allein bleiben. »Cheftu?«
Ihr Gemahl drehte sich mit Tränen in den goldenen Augen um. »Er weiß, daß er hierbleiben muß, Geliebte. Er weiß es.«
So folgte der Löwe, der von Anfang an als Schutzengel über sie und die Schriftrollen gewacht hatte, nun einem höheren Ruf und blieb, um die Rollen auch weiterhin zu beschützen: ein goldener Torwächter zu den Geheimnissen Gottes. Der edle, pelzige Ritter eines heimlichen Kreuzzuges. Der erste aus einer langen Reihe …
Nach dreitägigem Marsch erreichten sie die Außenbezirke von Waset. Sie mieteten sich ein kleines Zimmer in einem der ärmeren Stadtviertel. Nur Cheftu wagte sich auf die Straße, um sich nach einer Schiffspassage nilabwärts zu erkundigen. Sie aßen, was er auf der Straße kaufte. Eines Nachts, als sich die Tavernen am Flußufer zu füllen begannen, beschloß Cheftu, Verbindung zu Ehuru aufzunehmen.
»Das darfst du nicht! Bist du wahnsinnig geworden? Thut läßt dein Haus wahrscheinlich schon seit Wochen beschatten!« beschwor ihn Chloe.
Er warf sich den Umhang über. »Glaubst du, ihnen fällt auf, daß sich unter einem bärtigen Mann mit Haaren wie eine Frau ein Prinz Ägyptens verbirgt? Ich kann nicht hierbleiben – das ewige Abwarten macht mich wahnsinnig!«
»Und wenn man dich erwischt?«
Er erstarrte, dann drehte er sich zu ihr um, ganz langsam und ohne jedes Gefühl in seinen bernsteingelben Augen. »Das ist egal. Du brauchst nur noch drei Tage zu warten, dann kannst du dich auf der Fliegenden Oryx einschiffen und nach Noph segeln. Dank Imhoteps Hilfe haben wir die Formel größtenteils wieder zusammenbekommen, du kannst also in dein früheres Leben zurückkehren. Und mich zurücklassen.«
Sie stand auf und kam durch den kleinen Raum auf ihn zu. »Glaubst du, ich will zurück?«
Nur ihr Atem war zu hören. »Nein. Du hast gelobt, bei mir zu bleiben. Ich weiß, daß nur Gott dich dazu bringen könnte, deinen Schwur zu brechen.«
Chloe biß sich auf die Lippen. »Das ist nicht meine Schuld!«
»Nein, ich weiß. Ich verstehe es nicht, aber ich weiß, daß du geblieben wärst, wenn es dir möglich gewesen wäre.«
Er umarmte sie. »Ich kann mir einfach kein Leben ohne dich vorstellen, Chloe«, sagte er und legte dabei einen Finger unter ihr Kinn. »Aber du darfst nicht von mir verlangen, daß ich dich nach Noph begleite und dich dort wegschicke. Für eine solche Liebe ist meine Seele nicht rein genug. Zwing mich nicht, dich dorthin zu begleiten, bitte …« Seine Stimme erstarb in einem Flehen um Gnade.
Doch sie konnte nicht nachgeben. »Ich will auf keinen einzigen Tag mit dir verzichten, Geliebter«, widersprach sie leise. »Schenk mir diese goldenen Tage, Cheftu, bitte.«
Chloe spürte, wie er zitterte, als er sie umarmte. »Du bittest um Leben, dabei wäre es leichter für mich, dir meinen Tod zu geben«, flüsterte er. Chloe verspannte sich, doch das spürte er und hielt sie fester. »Du weißt, daß ich dir nie etwas abschlagen könnte. Wenn es in meiner Macht liegt, dich glücklich zu machen«, er sah sie an, »dann werde ich das tun. Doch du mußt mir gestatten, meinen Seelenfrieden zu finden, indem ich erst nach meinem Heim und nach denen sehe, die ich geliebt habe und die es nicht verdient haben, daß ich sie einfach vergesse.« Er war nicht umzustimmen.
Sie saß auf der flohverseuchten Liege und lauschte seinen sich entfernenden Schritten. »Ach Cheftu«, hauchte sie, dann kamen die Tränen und ertränkten ihr entzweigerissenes Herz.
Der Späher stand in der Dunkelheit der Sykomoren-Allee. Von deren einstiger Schönheit war nichts geblieben.
Die Bäume waren von den Heuschrecken kahlgefressen worden, auch wenn sich einige von ihnen abmühten, neue Blätter hervorzubringen.
Die Gärten hinter den hohen Lehmziegelmauern waren vertrocknet und verstaubt, weil alles Wasser auf den Feldern gebraucht wurde. Ägypten lag darnieder. Dieses Jahr und wahrscheinlich auch in den folgenden Jahren würde es Hungersnöte geben.
Der Späher fuhr mit der Hand über sein Gesicht und versuchte, das Bild seines jungen Sohnes zu vertreiben, der trotz der Amulette und aller Gelübde zu
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