Time-Travel-Triologie 01 - Die Prophetin von Luxor
wiedersehen würde. Mit einem stillen Gebet rollten sie die Papyrusblätter auf, wobei sie das größte als äußere Hülle nahmen, das dadurch am leichtesten wieder zu entrollen sein würde. Die Exodus-Rolle. Sie richteten die Krüge auf, verwischten ihre Fußabdrücke und kehrten wieder ans Licht zurück.
Als Cheftu oben über der behelfsmäßigen Leiter verschwand, rief Chloe ihm zu, einen Moment zu warten. Mit der letzten Fackel in der Hand kehrte sie an die gegenüberliegende Wand zurück, wo sich der Zugang zu Hatschepsuts Schatzkammer befand. Im Staub kniend schwärzte sie ihre Fingerspitze mit Ruß und zeichnete ihr Katzenzeichen oben, neben eine Leiter.
Leitersymbole fand man häufig an den Wänden von Grabkammern; sie standen für den Aufstieg an Osiris’ Seite. Sie bedeuteten auch »nach oben steigen«. Vielleicht wäre das der Beweis, den sie im zwanzigsten Jahrhundert brauchte.
»Schau hoch, Cammy«, flüsterte Chloe.
Sobald sie wieder draußen stand, schob Cheftu die Felsen vor den Eingang, um ihn zu verstecken, dann schulterten sie ihre leicht gewordenen Körbe und machten sich auf den Rückweg nach Waset.
Cheftu erlaubte nicht, daß Thief mit ihnen kam. Tagelang hatten sie deswegen gestritten. Cheftu meinte, Thief habe keine Angst vor Menschen, das würde ihm zum Verhängnis werden. Chloe schlug einen Zoo vor. Cheftu meinte, in der Meute nahe dem Grab gebe es keinen männlichen Löwen; auf diese Weise könnte Thief zu einer Familie kommen. Chloe widersprach, er sei noch zu jung und würde sich noch nicht für Weibchen interessieren. Cheftu erklärte, sie könnten ihn nicht beschützen.
Chloe brach in Tränen aus. »Er hat uns das Leben gerettet! Wir können ihn nicht mutterseelenallein zurücklassen!«
»Also sollen wir ihn lieber nach Waset mitnehmen? Und dann, Chloe?«
»Nein …« Sie rieb sich die rotgeweinten Augen. Tief im Innersten wußte sie, daß Cheftu recht hatte. Sie wußte auch, was er nicht aussprach. Sie wären nicht mehr da. Er wäre im Frankreich des neunzehnten und sie im Amerika des zwanzigsten Jahrhunderts, und Thief wäre für sie nur noch eine Erinnerung. Wären sie füreinander auch nur noch Erinnerung? Würde sie auch um Cheftu trauern müssen?
»Ich kann es einfach nicht mit ansehen.«
»Chloe …« Cheftu schloß sie in die Arme. »Thief hat uns geführt, gerettet und uns geholfen.«
»Er hat uns das Leben gerettet«, wiederholte sie mit tränenfeuchten Wangen.
»Ja. Und jetzt müssen wir uns dafür erkenntlich zeigen.«
Sie biß sich auf die Lippe und nickte. »Ich weiß. Es tut nur so weh. Ich möchte ihm nicht das Gefühl geben, daß er nicht geliebt wird.« Sie sah auf die große Katze, die ein paar Schritte entfernt ruhte und in das Ritual ihres stündlichen Bades vertieft war. Als hätte er ihren Blick gespürt, kam Thief angetrottet und rieb mit dem Kopf gegen ihr Bein. »Du verstehst mich, was, mein Junge?« flüsterte sie mit gebrochener Stimme.
»Wir wollen dich nicht allein lassen, aber wir können dich einfach nicht mitnehmen.«
Er ließ sich auf dem Boden nieder, den schweren Kopf auf ihrem Schenkel ruhend. Dann schloß er die Augen und begann zu schnurren, während sie ihm das Fell streichelte. Cheftu kraulte Thiefs Hals und ließ dabei ein Flachsseil darum gleiten, das er an einem Felsen festknotete. Thief würde sich daraus befreien können, doch bis dahin wären sie über alle Berge. Und dann würde der Geruch anderer Menschen und der Städte sie tarnen.
»Wieso müssen wir das tun?« fragte Chloe leise. »Das ist doch schrecklich!«
»Er ist uns vom Sinai aus bis hierher gefolgt, chérie. Glaubst du, er bleibt brav sitzen, nur weil wir es ihm befehlen? Wenn er näher an die Stadt herankommt, wird man Jagd auf ihn machen. Dies ist der einzige sichere Ort, und genau deshalb lebt hier auch die Meute.«
»Er wird einsam sein.«
Cheftu tätschelte den Löwen, der sich auf der Erde wälzte und ihre Zuwendung genoß, anscheinend ohne etwas von seinem Schicksal zu ahnen.
»Er wird sich der Meute anschließen. Er ist ein Löwe, keine überdimensionale Hauskatze.«
Chloe schluchzte, und so saßen sie auf dem Boden und spielten mit Thief, bis er einschlief, von der Sonne gewärmt. Dann stand Chloe, die es einfach nicht mehr aushielt, auf. Thief rührte sich nicht. Sie legte die Hand auf Cheftus Arm und zog ihn schweigend hoch. Sie stahlen sich davon, doch nach ein paar Schritten hielt Chloe inne und drehte sich noch einmal um. Die Katze hatte sich
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