Time-Travel-Triologie 01 - Die Prophetin von Luxor
den Göttern, denen sein Vater so treu gedient hatte, tot am Boden lag. Er nahm einen Schluck aus dem Schnabelkrug zu seinen Füßen.
Wein war darin. Früher hätte er nie Wein getrunken, während er im Dienst war, doch diese Aufgabe hier war sinnlos. Wie sein ganzes Leben. Er dachte auch an die trauernde Frau, mit der er zusammenlebte, an ihre unvermittelten, oft manischen Energieschübe, an ihr Heulen, das vom Hof zu seinem Zimmer aufstieg. Er hatte ihr angeboten, ihr noch ein Kind zu machen, daraufhin hatte sie eine Flasche nach ihm geworfen. Er betastete die verschorfte Stelle an seiner Braue. Finster nahm er einen weiteren Schluck.
Die Mondsichel stand tief über dem Horizont; es war vielleicht noch eine Stunde bis zum Morgen. Der Wind sang in den nackten Zweigen und kühlte seine nervösen Schweiß. Der Späher beobachtete, wie der alte Ehuru seine Lampe nahm und damit in seiner kleinen Unterkunft neben dem Haupthaus verschwand. So ging das schon seit Wochen. Jeden Tag ging Ehuru auf dem fast leeren Markt einkaufen und bereitete alles vor, als würde er jeden Moment die Rückkehr des Hemu neter Cheftu erwarten. Der Späher rieb sich über das Gesicht und spürte, wie die Wärme des Weines an seinen Sinnen leckte. Seine Augen waren beinahe geschlossen.
Dann hörte er ein Geräusch und suchte, schlagartig hellwach, mit seinen schwarzen Augen die Dunkelheit ab. Auf der Straße näherte sich ein Apiru. Er trug den kurzen Schurz eines Sklaven und hatte langes Haar sowie einen zotteligen Bart. Er ging wie ein junger Mann, und sein Körper wirkte geschmeidig, doch Bart und Haar waren grau und die Haut spröde wie Papyrus. Der Späher quetschte sich in den Schatten und beobachtete den Mann interessiert. Der Sklave trug zwei Krüge Bier, und obwohl der Späher sein Gesicht nicht als das eines der hiesigen Sklaven erkannte, wußte er doch den müden, schlurfenden Gang zu deuten.
Bestimmt hatte einer der eleganten jungen Herren den Sklaven ausgeschickt, Bier zu holen, das die Gäste bei der Parfümierung bekommen sollten. Der Späher wollte sich eben abwenden, als er den Mann in das Licht aus einer Fensteröffnung schauen sah.
Augen wie die einer Katze. Golden.
Thutmosis’ Worte brannten sich in seine Gedanken. Das war Cheftu! Er kehrte in der Verkleidung eines Apiru zurück! Gelobt sei Amun! Der Späher wartete ab, bis Cheftu vorbei war, dann lief er auf flinken Füßen zum Palast, mit vom Wein beflügelter Begeisterung, Den Göttern sei Dank, daß er nicht weggesehen hatte!
Es war nur eine leichte Störung, doch Cheftu spürte sie. Wie zweifellos auch die vielen Soldaten, die ihr Lager um sein Heim herum aufgeschlagen hatten. Er schulterte die Krüge und schaute sich noch einmal um, als hätte er es nicht eilig, zu seinen Pflichten im Haus zurückzukehren. Sein Blick richtete sich auf den Schatten unter dem Baum, und er entdeckte den vereinsamten Tonkrug daneben. Dort hatte sich der Spion also versteckt.
Cheftu ging um das Tor herum und zu den Sklavenunterkünften auf seinem Gut. Er kletterte über die eingesunkene Mauer und ließ seinen Blick über den verwüsteten Garten schweifen. Hier war die Zerstörung noch schlimmer als in Gebtu. Er schlich über den staubigen Pfad bis an Ehurus Tür. Laut und deutlich war dahinter das Schnarchen des alten Mannes zu hören.
Cheftu ließ die Krüge sinken und lauschte konzentriert. Er hatte die Soldaten nicht gesehen, doch er war fest davon überzeugt, daß sie in der Nähe waren. Er trat ein und eilte durch die kleinen Zimmer. Dann preßte er eine Hand auf Ehurus Mund und flüsterte laut seinen Namen. Ehuru wehrte sich kurz, ehe er die Hand auf seinem Mund wiedererkannte.
»Herr!« schnaufte der Alte. »Was tust du hier? Jeden Tag fragen Soldaten nach dir!«
Cheftu gebot ihm mit erhobener Hand zu schweigen; dann erzählte er leise wie ein Atemhauch von den vergangenen Monaten. Der Alte saß gebannt dabei und lauschte seinem Herrn, der von den Taten des Wüstengottes und von den Soldaten berichtete. »Ich wollte mich nur davon überzeugen, daß es dir gutgeht. Du bekommst Gold.« Er reichte dem Alten eine Schriftrolle. »Unter dem Altar im Totentempel meiner Eltern steht eine große Urne. Sie ist voller Gold. Nimm dir, soviel du brauchst, Ehuru. Ich habe mir ebenfalls welches geholt. Sobald du dir diese Karte eingeprägt hast, zerstöre sie. Mögen die Götter dir gewogen sein.«
Er umarmte den Alten, ohne zu erwähnen, daß die Besitzurkunde für sein Gut auf Ehuru
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