Time-Travel-Triologie 01 - Die Prophetin von Luxor
Leibwächter zogen. Ameni, der Kommandant von Pharaos Division in Avaris, trat an seine Seite. Thut riß den Blick von dem Reptil los und winkte die Umstehenden wieder herbei. Ramoses und Aharon waren völlig gelassen stehengeblieben. Nach kurzem Räuspern sah Thut nach rechts und sagte zu seinen Magiern: »Diese Kinderei läßt sich doch durch eure größere Magie abwehren, meine Herren?«
Ohne zu zögern trat Belhazar, sein sumerischer Magus, vor.
»Ein Kind könnte diesen Zauber bewirken, Majestät.«
Er murmelte ein paar Zaubersprüche über seinen Stab und warf ihn zu Boden. Das Holz begann sich zu winden und verwandelte sich in eine Viper, die sich über den Boden schlängelte. Die Kobra wartete ab, bis die andere Schlange in Reichweite war; dann zuckten ihre Fangzähne und Schuppen auf … und die Viper war verschwunden.
Thut warf einen kurzen Blick auf Belhazar. Dessen Gesicht war unter dem riesigen roten Turban blaß geworden.
»Noch eine Kinderei?« zischte Thut. Der nächste Magus, Kefti Shebenet, schleuderte seinen Stab zu Boden, doch noch ehe die Verwandlung ganz abgeschlossen war, hatte die Schlange der Israeliten ihn verschluckt. Halbherzig warfen die übrigen vier Magi ihre Stecken und Stäbe zu Boden. Einer nach dem anderen wurde verschlungen.
Thut sah wieder auf die Schlange der Israeliten.
Hier handelte es sich ganz offenbar um keine Kinderei mehr. Die Kobra war riesig geworden, als hätte sie durch jede Schlange, die sie verschlungen hatte, an Länge gewonnen. Sie reichte durch den ganzen Raum. Thut war froh, daß die Höflinge bereits geflohen waren. Von diesem Vorfall brauchte man in Waset nichts zu erfahren! Er sog scharf die Luft ein, während er beobachtete, wie Ramoses sich zu der Schlange hinabbeugte und sie am Schwanz packte.
Dann hielt Ramoses nur noch einen knorrigen Stab in der Hand. Thut spürte einen Schweißfilm am Leib. Es war eine entsetzliche Vision gewesen.
Nur daß Ramoses’ Stab zuvor lediglich ein drei Ellen hoher Holzstab mit Knubbeln und leichten Windungen gewesen war.
Jetzt war er kerzengerade und strahlend bunt mit einem bronzenen Knauf, der unangenehm an eine Brillenschlange erinnerte und Ramoses’ Kopf um eine ganze Elle überragte.
Thut erhob sich und verließ den Saal. Die Audienz war beendet.
WASET
Sie bestiegen das Schiff am frühen Morgen, während der Sonnengott Amun-Re Flecken in der Farbe von Orangensorbet an den Himmel malte. Chloe hörte die frühmorgendlichen Gesänge der Priester, während die ersten tastenden Lichtfinger den weißen Tempel erstrahlen ließen und seinen Schatten über das Wasser legten. Sie stand allein bei ihrem Gepäck.
Basha würde sie nicht begleiten. Hatschepsut, ewig möge sie leben!, hatte ihr ausrichten lassen, daß Basha in Avaris zu ihnen stoßen würde; sie hatte noch andere Aufgaben zu erledigen, ehe sie Waset verließ. Zwei Wachen warteten neben Chloe, und auch wenn die Schwerter in den Scheiden steckten, war Chloe überzeugt, daß die beiden sie zücken würden, sollte sie ihre Meinung ändern. Man hatte sie verbannt.
Ihr Leinenumhang hielt kaum die morgendliche Kühle ab, und sie zwang sich, nicht mit den Zähnen zu klappern, während sie so dastand und auf Waset blickte. Am Flußufer herrschte bereits reges Treiben, Matrosen und Sklaven luden die am Morgen eingelaufenen Schiffe aus. Sie hörte viele Sprachen, von denen sie einige als Babylonisch, Kallistaenisch, Retenisch und, wie sie hätte schwören können, Griechisch erkannte. Die schmalen Straßen der Rekkit füllten sich allmählich mit Frauen auf dem Weg zum Markt, Sklaven, die eilig Besorgungen für ihre Herren erledigten, und Kindern auf ihrem Weg in die Tempelschule. Fast wie in jeder anderen Stadt, zu jeder anderen Zeit, in fast jeder anderen Kultur, dachte Chloe. Abgesehen davon, daß sie Statuen anbeten und die meiste Zeit halbnackt herumlaufen, sind sie wirklich wie wir.
Von Cheftu hatte Chloe heute morgen weder Schurz noch Kragen gesehen. So ließ sie sich von den Wachen auf das Schiff helfen.
Es war groß: Auf dem Deck waren mehrere Zeltkabinen aufgebaut, zusätzlich zu dem Kabinenblock in der Mitte. Hoch über ihnen flatterte die Standarte Pharao Hatschepsuts, eine gestickte blaue Kartusche ihres Thron-Namens auf weißem Grund.
Offenbar würde Cheftu nicht mit ihnen reisen, begriff Chloe, als sie vom Kai ablegten. Während die Matrosen den Anker lichteten und die schweren Flachsseile lösten, mit denen die Segel gehalten wurden, fragte sie
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