Time-Travel-Triologie 01 - Die Prophetin von Luxor
Preis! Nur durch ihren Tod können wir unser Volk retten! Sonst wird die Göttin unser aller Leben als Gegenwert fordern!«
Das Mädchen hatte die schlichte Schärpe ihres Gewandes fertig gebunden und stieg in ihre Sandalen. »Sie ist so mächtig, Geliebte«, sagte sie mit bebender Stimme angesichts dieser Aufgabe. »Wird Amun-Re sicher sein ohne ihren Schutz?«
Mit zornsprühenden Augen und nacktem, makellosem Leib im hereinsickernden Mondlicht erhob sich die Frau auf der Liege. Ihre Stimme war ruhig. »Hilft es Amun-Re, wenn ihre Gebete entweiht sind? Wenn dieselben Gliedmaßen, mit denen sie die heiligen Tänze ausführt, sich auch mit dem Unreinen verbinden?« Sie zuckte mit den Achseln. »Es ist nur für kurze Zeit. Das Große Haus sorgt bereits dafür, daß eine Nachfolgerin ausgebildet wird.«
Das Mädchen duckte sich unter dem Gift in der Stimme ihrer Geliebten. »Es wäre hoffnungslos, das verstehen zu wollen, doch ich werde tun, was du befiehlst, Herrin. Ich kenne keinen größeren Wunsch, als daß du weiterhin Vergnügen an mir findest und mit mir zufrieden bist.« Sie ließ sich zu Boden fallen, bis sie eine sanfte Hand auf ihrem Kopf spürte, die ihr über das Haar strich.
»Erhebe dich, meine Teure. Zittere nicht. Sie hat keine Macht mehr über dich. Sollte sie dir nochmals weh tun, dann sag es mir, und ich lasse sie dafür bezahlen.« Das Mädchen nickte bebend. »Und nun, da Re sich noch nicht erhoben hat, bleiben uns noch viele Stunden für die Liebe.« Ehe die Frau ihre Lippen auf die des Mädchens senkte, sagte sie: »Wir müssen um jeden Preis den Stand der Priesterinnen beschützen, meine Schwester. Kein Opfer darf uns zu teuer sein. Jedes Opfer ist eine Gabe für Hathor. Wir müssen Sechmet sein, wir müssen Sechmet sein!« Das Mädchen unterdrückte einen Schrei, als die Hohepriesterin der Schwesternschaft einen wütenden, groben Kuß auf ihren Mund preßte. Noch während die junge Frau die Hand an den Mund hob, wurde ihre Schärpe zerfetzt.
Blut.
Cheftu schritt rastlos in seinen Palastgemächern auf und ab. Er hatte sein Haus abgeschlossen und Wachs mit seinem Familiensiegel auf die Türen gedrückt. Ehuru war ihm zur Hand gegangen, hatte seine Sachen gepackt, ihm etwas zu essen gemacht und ihm einen guten Wein bereitgestellt, doch Cheftu fand einfach keine Ruhe. Es war schon tief in den Abenddekaden, doch immer noch spürte er die Spannung in Hals und Schultern. Alemeleks Rollen hatte er versteckt. Er hatte seine Versprechen gehalten, jedes einzelne. Er war zur Abreise bereit. Cheftu blieb stehen, weil er Schritte im Gang und dann ein gedämpftes Klopfen an der Tür hörte.
Cheftu warf einen Blick in das Zimmer nebenan. Ehuru schnarchte friedlich im Dunkeln. Nachdem er seine Schurzschärpe festgezogen hatte, öffnete Cheftu die Tür. Einer von Hats kushitischen Leibgardisten grüßte ihn.
»Die Goldene will dich sehen.« Cheftu bedeutete dem Leibgardisten zu warten, während er sich ankleidete und rasierte. »Mach dir keine Umstände«, wehrte der Leibgardist ab. »Sie will dich sofort sehen.« Cheftu folgte ihm, Hat für ihre mangelnde Höflichkeit verfluchend und seine zitternden Hände versteckend. Hinter ihm folgte ein zweiter Soldat.
Sie marschierten durch gewundene, fackelbeleuchtete Gänge, bis sie zu jenem gelangten, der vom Palast nach Karnak führte. Sie betraten einen breiten Fußweg, wo die beiden Leibgardisten die Fackeln an der Wand löschten und eine Platte im gemusterten Boden aufklappten.
Vorsichtig Stufe um Stufe mit seinen Sandalen ertastend, stieg Cheftu in die absolute Finsternis hinab. Die Soldaten schepperten voran, anscheinend vollkommen unbeeindruckt von der Dunkelheit. Sobald sie sich wieder auf ebenem Boden befanden, hörte er, wie die Falltür geschlossen wurde, dann wurden die Fackeln erneut entzündet. Wohin in Osiris Namen brachten sie ihn? War die Szene mit RaEm nur eine List gewesen – würden sie ihm jetzt die Geheimnisse unter seiner Haut hervorziehen? Säure brannte in seinem Schlund, und Cheftu ermahnte sich, Ruhe zu bewahren.
Sie befanden sich in einem schmalen Durchgang.
Cheftus Magen krampfte sich zusammen – das war kein gutes Vorzeichen. Schweigend marschierten sie durch die labyrinthischen Tunnel unter dem Palast und dem Tempelkomplex, bis Cheftu beinahe jede Orientierung verloren hatte. Seinem verwirrten Ortssinn nach befanden sie sich möglicherweise in der Nähe des Heiligen Sees, aber sicher war er nicht.
Der Leibgardist klopfte an
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