Time-Travel-Triologie 01 - Die Prophetin von Luxor
in Kannen aufzufangen. Sobald die Kannen gefüllt waren, nahm ReShera ihren Schal ab und stillte die Wunde. Die Kuh wurde weggeführt, und ReShera brachte die Kannen an den Tisch.
Chloe begann zu schwitzen; das hier nahm immer seltsamere Formen an. Eine Sklavin schenkte das dampfende Blut in ihre Kelche, und Chloe widerstand dem innigen Wunsch, ihren Kelch mit der Hand abzudecken; das wagte sie nicht. Gerchet klatschte in die Hände, woraufhin Sklavinnen vortraten und etwas an die Tische brachten, das wie ein Eintopf aussah, aber wie gestockte Milch roch. Sie schöpften jeder Priesterin eine Portion auf den Teller; Chloe mußte würgen. Es war eine Art Fleischtopf, aber in Milch gekocht.
ReShera hob ihre Hände himmelwärts.
»O liebreizende Hathor. Segne die Deinen, die wir unser heiliges Mahl verzehren. Bereite die Deinen vor auf das Feld des Schilfes, bereite sie vor in der Milch, die Du uns gegeben hast, so wie dieses Kind in der Milch seiner Mutter auf die Ewigkeit vorbereitet wurde. Segne uns, Mutter Göttin.«
Die Priesterin ließ die Hände sinken und erhob ihren Kelch.
»Heute abend brauchen wir ganz besonders die Hilfe der Mutter. Wir müssen unsere täglichen Sorgen vergessen und allein für ihr Wissen leben.« Sie wandte sich mit ausgestreckter Hand an Chloe. »Die Phiole, meine Schwester.«
Chloe sah sie mit großen Augen an. Phiole? Sie schloß die Augen, und plötzlich fiel ihr ein winziges, ablösbares Teil ein, das über ihren Haarreif gestreift worden war. Langsam faßte sie nach oben und ertastete die silberne Scheibe. Sie wollte sich nicht lösen lassen. »Du gestattest, meine Schwester«, sagte ReShera, erhob sich und zog die fünf Zentimeter große Scheibe heraus.
Durch ein schnelles Klopfen mit ihrem langen Fingernagel klappte sie den Deckel auf und gab dann eine Prise des Pulvers darin in ihren Kelch mit warmem Blut. Heilige Scheiße! dachte Chloe. Worauf habe ich mich da eingelassen? Vom Bluttrinken oder irgendwelchen Drogen hat Camille nie etwas erzählt! ReShera reichte ihr die Phiole, und Chloe blieb nichts anderes übrig, als ebenfalls eine Prise in ihr »Getränk« zu geben.
Herit-tshatsha-ah begann drauflos zu schmausen, zog dabei das Fleisch von den Knochen und tränkte es in der Milch, ehe sie es verschlang. Chloe tat es ihr nach und gab sich alle Mühe, keinen Gedanken daran zu verschwenden, was sie da aß. Es konnte kaum schlimmer sein als Heuschrecken in Schokolade.
Hoffte sie wenigstens.
Schließlich waren Fleisch und Milch verspeist, und ReShera erhob ihren Kelch. Die Priesterinnen, Chloe eingeschlossen, folgten ihrem Beispiel und leerten die Becher. Chloe schluckte mühsam, das Gesicht hinter dem Kelchrand zu einer Grimasse verzerrt.
Jede Frau setzte ihren Becher wieder ab, ohne den makabren Schnurrbart von ihrem Gesicht zu wischen. Chloe merkte, wie das Blut in ihrem Gesicht zu trocknen begann, doch auf Tischmanieren schien man hier keinen besonderen Wert zu legen.
Die Sklavinnen räumten die Teller ab, dann trugen sie den Tisch hinaus, und gerade als Chloe beinahe zu Boden gefallen wäre, brachten sie Kissen. Sie fühlte sich merkwürdig leicht, als sie so zur Decke aufstarrte. RaAfu begann zu heulen, dann stimmten die anderen Frauen mit ein. Zu Chloes Leidwesen klangen sie in ihrem neuzeitlichen Gehör nicht unbedingt harmonisch, aber etwas in Chloe befahl ihr, den Mund zu öffnen. Mit den Wölfen muß man heulen …
Ankhem-Nesrt stimmte ein Gebet an. Alle fielen mit ein, wenn auch nicht zur selben Zeit und ganz eindeutig nicht in derselben Tonlage. Chloe sang ebenfalls, allerdings ohne daß sie sich an die Worte erinnerte, die aus ihrem Mund kamen, oder sie auch nur verstanden hätte. Es klang so ähnlich wie daß sie in die Zukunft sehen und Ägypten beschützen sollten … aber sicher war Chloe da nicht.
Verschwommene Erinnerungen stiegen in ihr auf. Sie sah sich selbst mit einem arabischen Mann zusammen, die Leiber wie Bänder ineinander verflochten, sich windend, auf der Suche nach Lust. Camille stand in der Tür, das Gesicht vor Entsetzen entstellt. Der Araber kam ihr irgendwie vertraut vor und zog sich wieder an. Chloe ließ sich nackt und ohne jede Scham in ihrem Bett zurücksinken, mit großen und feindseligen braunen Augen.
Ruha-ets schrilles Jaulen riß Chloe aus ihrer Träumerei. Gerchets Heulen hatte sich zu einem Schreien gesteigert, und als Chloe sich mühsam in halbsitzende Position hochgekämpft hatte, sah sie ReShera mit weit aufgerissenen
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