Time-Travel-Triologie 01 - Die Prophetin von Luxor
ihrem Hals genauer. Sie war vergrindet und schlammverkrustet. Offensichtlich war sie ihr zugefügt worden, bevor man sie in den Graben geworfen hatte. Er zog die Überreste des Lakens von ihrem Leib. Der wütende Biß in ihrer Schulter eiterte. Cheftu verzog angewidert die Lippen.
Dann riß er ihr das Leinen vollends vom Körper.
Cheftu spürte, wie ihm das Blut aus dem Gesicht wich und sein Magen sich zu drehen begann. RaEm war halbtot geprügelt worden. Ihr Bauch war rot und lila angelaufen, die Beine und das Geschlecht waren schwarz und blau. Er konnte die Spuren der vielschwänzigen Peitsche verfolgen, die sich um ihren Leib wanden. Da war die Schwiele an ihrem Hals. Gegenüber, auf ihrer Taille, war eine weitere, eine dritte an ihrem Oberschenkel.
Bei den Göttern! Cheftu schluckte den Ekel hinunter, der, angesichts der so eleganten und nun angeschwollenen und verfärbten Glieder, die mit Strömen Blutes verkrustet waren, aus seinem Magen aufstieg.
Meneptah brachte einen Krug mit frisch abgekochtem Wasser, und Cheftu wusch ihr vorsichtig das Blut aus den Wunden. Er strich eine Kräutersalbe auf die offenen Stellen, damit sich keine Infektionen bildeten, und deckte RaEm mit einem Laken zu, damit sie nicht auskühlte.
RaEm lag in tiefer Bewußtlosigkeit, und doch zuckte sie von Zeit zu Zeit, als wäre sie wie ein Kinderspielzeug an unsichtbaren Fäden festgebunden. Cheftu reinigte die Schwielen von dem verschlammten Grind und gab eben einen letzten Kräuterumschlag auf die Schwiele an ihrem Hals, als ihm der Geruch von frischem Blut in der Nase stach. Er rief Meneptah zu, neue Tücher zu holen, dann riß er erneut das Leinen von RaEms Leib.
Sie lag in einer Pfütze von frischem Blut und wurde sichtbar bleicher, je mehr Leben aus ihr herausfloß.
Säure brannte in seinem Magen. Er verfluchte sich und suchte hastig nach weiteren Anzeichen. RaEm hatte ein Gift genommen oder verabreicht bekommen, das als Abtreibungsmittel wirkte. Er kannte die Wirkung bereits. Der arme Sklave, der vor ein paar Tagen gestorben war – er hatte kein Kind zum Abtreiben gehabt und war darum innerlich ausgeblutet, bis er schließlich an seinem Blut und seinem Erbrochenen erstickt war.
Hatte Pharao irgendwie erfahren, daß er, Cheftu, ihr das Gift nicht verabreichen würde? Hatte sie einen anderen Komplizen gefunden? In seiner Erinnerung blitzte kurz ihre letzte Zusammenkunft vor seiner Abreise aus Waset auf.
»Eine vertrauliche medizinische Mission«, so hatte sich Pharao ausgedrückt, als Senmut ihm das Päckchen mit giftigen Kräutern überreicht hatte. Die eigenartigen Umstände, unter denen man RaEm im Tempel aufgefunden hatte, hatten noch mehr Fragen aufgeworfen und das Feuer von Hatschepsuts Paranoia zusätzlich angefacht. Das Blut an RaEms Händen war das eines Fremden gewesen, aber wessen?
Und jetzt dieses Blut. Hatte sie selbst Hand an sich gelegt? Hatte RaEm sich wie so oft für den leichtesten Ausweg entschieden, oder war die vergiftete Ente neulich abends nicht für den Prinzen, sondern für sie bestimmt gewesen?
In einer Nische seines Geistes nahm er die betenden Priester wahr, deren ansteigende und wieder fallende Gesänge durch die Gänge hallten. Jemand hatte sie herbeigerufen. Selbst sie wußten, daß die Frau im Sterben lag. Oder hatten sie damit gerechnet? Wo waren die Priesterinnen Hathors?
Blut ergoß sich aus ihr, und bald würde ihr ungeborenes Kind folgen. Wenn er nur ein wahrer Magus wäre, wenn er über Kräfte verfügen könnte, die größer waren als seine eigenen … dann hätte er sie retten und sich ein Leben lang in ihrer Dankbarkeit sonnen können. Cheftu gab sich im Geist eine Ohrfeige. Ganz gleich, wie sehr sich RaEm verändert hatte, sie würde wahrscheinlich eher ihr Leben damit zubringen, vor seinen Augen ihre Gesundheit mit anderen Männern zu ruinieren, als ihm zu danken.
Wenn Cheftu in ihre nun grünen Augen schaute, hatte er jedesmal den Eindruck, daß ihn ein neuer Mensch anblickte. Jemand, dessen Schönheit sich nicht nur auf Kleidung und Schmuck beschränkte, sondern auch Charakter und Güte umfaßte. Ihre Verunsicherung, wenn er von der Vergangenheit sprach, war nicht gespielt. Und ihre Berührung! Wieso reagierte sie plötzlich so anders auf ihn? Und er auf sie? Da war mehr im Spiel als nur körperliche Begierde – auch wenn er gegen die ununterbrochen ankämpfen mußte –, da war auch ein tiefes, elementares Wiedererkennen. Bei den Göttern, er wußte nicht, was es war.
Cheftu
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