Timeless - Schatten der Vergangenheit: Roman (German Edition)
achtete sie allerdings darauf, Rebecca mit keinem Wort zu erwähnen.
»Was?«, schrie Caissie, als sie das von dem Schlüssel hörte. Ihr Ausruf war so laut, dass Michele glaubte, man hätte ihn noch an der Lower East Side hören können. »Wie konntest du das zulassen? In diesem Schlüssel liegt ja nur der mächtigste Zauber, von dem ich je gehört habe …«
»Ich weiß «, seufzte Michele und verbarg ihr Gesicht in den Händen. »Es macht mich richtig fertig, dass ich ihn nicht mehr habe. Ich muss ihn zurückbekommen.«
Caissie biss sich auf die Lippe. »Entschuldige. Ich wollte es nicht noch schlimmer machen. Gib die Hoffnung nicht auf. Du kannst ihn immer noch finden.«
»Dafür würde ich alles geben.« Michele atmete tief durch und beobachtete, wie ihre normalerweise unkomplizierte Freundin einen Riesenaufwand mit ihrem Make-up betrieb. »Ist alles in Ordnung mit dir? Bist du aufgeregt, weil es dein erstes richtiges Date mit Matt ist?«
»Das wäre ich bestimmt, wenn er es so genannt hätte«, sagte sie trocken. »Für ihn ist es nur eine Verabredung unter Freunden. Nicht besonders schmeichelhaft.«
»Bestimmt ist er nur nervös«, sagte Michele. »Ich meine, ihr beide seid seit eurem ersten Jahr auf der Highschool beste Freunde, da dreht er wahrscheinlich ein bisschen durch, weil sich die Situation verändert. Was nicht heißt, dass er die Veränderung nicht will.«
»Das hoffe ich.« Caissie drehte sich zu Michele um. »Wie sehe ich aus?«
Sie trug ein langes, mintgrünes, rückenfreies Kleid und hatte die schulterlangen rotblonden Haare zu einer halben Hochsteckfrisur gestylt. Sie sah wunderhübsch aus und behielt trotzdem ihren eigenwillig verspielten Stil bei – mit silbernen Federohrringen und passendem Haarschmuck.
»Du siehst umwerfend aus«, bestätigte ihr Michele grinsend. »Er wird hin und weg sein.«
Wie aufs Stichwort meldete sich in diesem Moment die Sprechanlage in ihrem Zimmer, und aus dem Lautsprecher flötete Annaleighs Stimme: »Mädchen, eure Dates sind hier.«
»Dann mal los«, flüsterte Michele, schnappte sich ihre silberne Clutch und warf noch schnell einen Blick in den Spiegel. Als sie ihr Spiegelbild sah, überkam sie ein gespenstisches Déjà-vu. Sie besaß nur ein einziges Kleid, das zum Motto Vergoldetes Zeitalter passte: das blaue Chiffon kleid, das sie 1910 auf dem Ball getragen hatte, auf dem sie Philip zum ersten Mal begegnet war. Ihr Aussehen würde sie ständig an jenen Abend erinnern – was umso schmerzlicher würde, wenn sie ihn zusammen mit Kaya sah.
Als die Mädchen die große Treppe hinunterschritten, stieß Ben einen anerkennenden Pfiff aus, und Michele konnte nicht leugnen, dass er selbst auch ziemlich gut aussah. Als sie zu Matt hinübersah, stellte sie erfreut fest, dass er bei Caissies Anblick zweimal hinsehen musste und sie schüchtern anlächelte, ehe er ihr ein Anstecksträußchen reichte.
Nachdem Annaleigh sie für einige hübsche, aber kitschige Bilder hatte posieren lassen, stiegen die vier in Bens Wagen und fuhren zum Waldorf-Astoria. Das Hotel war ein Art-déco-Hochhaus mit einer über hundertjährigen Geschichte, und plötzlich kam Michele der Gedanke, dass Philip dort im frühen 20. Jahrhundert vielleicht auch Veranstaltungen besucht hatte.
Sie schritten durch das Hauptfoyer, einen zweigeschossigen, von schwarzen Marmorsäulen getragenen, breiten Säulengang. Im Zentrum stand eine große antike Uhr, die so beeindruckend war, dass Michele stehen bleiben musste, um sie sich aus der Nähe anzusehen. Die Uhr war über zwei Meter siebzig hoch und ihre goldene Oberfläche überreich mit Abbildungen bedeutender Persönlichkeiten der Geschichte verziert, von Benjamin Franklin bis zu Queen Victoria. Über allem thronte eine Skulptur der Freiheitsstatue. Das klassische Stück wirkte seltsam lebendig, und Michele hätte die Uhr wohl noch eine ganze Weile angestarrt, wenn Ben sie nicht weitergezogen hätte.
Sie folgten der Peacock-Alley-Promenade des Hotels, bis sie zum Empire Room gelangten, einem schillernden, in Blau und Gold dekorierten Ballsaal. Über ihnen schwebten in mehr als sechs Metern Höhe die Kassettendecken, und ein antiker französischer Kronleuchter tauchte den Saal in sanftes Licht. Eine riesige Tanzfläche dominierte den Raum, und auf den hübschen Eichentischen im hinteren Bereich standen Vasen voller Blumen, Bowle-Schüsseln und Tabletts mit kleinen Häppchen.
»Wow, das nenne ich einen Ball«, bemerkte Michele, als sie zu den
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