Timeless - Schatten der Vergangenheit: Roman (German Edition)
bin ich zum ersten Mal froh über die strengen Regeln ihrer Eltern, die mir verbieten, sie nach elf Uhr abends zu sehen. Ich muss sie sicher im Haus wissen, fern von Rebeccas Geist.
Sobald sich die Eingangstür hinter Marion geschlossen hat, drehe ich mich zitternd vor Angst und Wut zu Rebecca um.
»Was tust du hier?«, knurre ich sie an.
»So begrüßt man doch nicht seine Verlobte, die man seit einem Jahrhundert nicht mehr gesehen hat.« Wut blitzt in Rebeccas Augen auf, als sie zum Windsor Mansion hinaufblickt. »Wie ich sehe, hast du mich vermisst – das ist wohl die einzige Erklärung dafür, dass du es auf meine Nachfahrin abgesehen hast. Ein erbärmlicher Ersatz für das Original.«
»Geh woanders spuken, Rebecca«, gebe ich zurück. »Seit dem Tag, an dem wir uns zum letzten Mal gesehen haben, will ich nichts mehr mit dir zu tun haben.«
»Woanders spuken?«, wiederholt Rebecca, und ein groteskes Lächeln macht sich auf ihrem Gesicht breit. »Aber ich bin kein Geist, Irving. Ich bin wie du. Eine Zeitreisende.« Sie wendet den Kopf zur Seite, und voller Entsetzen sehe ich unter ihrer Bluse kurz einen goldenen Schlüssel aufblitzen.
»Was hast du getan?«, will ich wissen. Panik erfasst mich. »Wem hast du den Schlüssel gestohlen?«
Rebecca lacht leichthin. »Im Moment zählt nur, was du jetzt tun willst, alter Freund. Denn weißt du, ich werde nicht zulassen, dass meine Familie in der Zukunft durch jemanden wie dich beschmutzt wird.« Ihre Augen verengen sich zu Schlitzen, und sie kommt einen Schritt näher. »Wenn deine kleine Freundin ihren nächsten Geburtstag erleben soll, wirst du verschwinden, Irving. Du wirst dorthin zurückkehren, wo du hergekommen bist – und nie mehr herkommen, um sie wiederzusehen.«
Ich starre sie an, mein Hals schmerzt, so trocken ist er.
»Gut. Ich gehe. Aber du musst mir ein bisschen Zeit lassen.«
»Je länger du bleibst, desto größer das Risiko.« Rebeccas Zähne blitzen in einem bedrohlichen Lächeln auf. »Ich erwarte dich im Jahr ’88. Allein.«
Verzweifelt sehe ich, wie ihre Umrisse zu flackern beginnen und sie in der Nacht verschwindet. Ich kann Marion nicht verlassen, niemals könnte ich sie so sehr verletzen. Ich glaube, ich würde es selbst nicht überleben. Aber ich kann auch nicht hierbleiben, nicht wenn Rebecca auf freiem Fuß ist und Marion Gefahr läuft, in ihre Schusslinie zu geraten.
Ich kann nur hoffen, dass Los Angeles weit genug weg ist, um Rebecca auszutricksen und Marion zu schützen.
Ein Hüter der Zeit kann nur dann über seinen Tod hinaus wei terexistieren, wenn sein jüngeres Ich in die Zukunft reist, an einen Zeitpunkt nach dem Ende seines Lebens. Der Tod ist jedoch auch in diesem Fall eingetreten. In seinem natürlichen Zeitstrang kann der verstorbene Zeitreisende nicht mehr leben.
– DAS HANDBUCH DER ZEITGESELLSCHAFT
14
G egenwart
Nach der Schule kehrte Philip ins Osborne zurück. Lächelnd dachte er daran zurück, wie Michele ihn an diesem Tag beim Mittagessen angesehen hatte und wie richtig es ihm vorgekommen war, ihr so nah zu sein. Er konnte kaum noch glauben, dass er sich am Anfang so leicht von ihr hatte fernhalten können – schon jetzt zählte er die Stunden, bis er sie am nächsten Morgen wiedersehen würde.
Philip hätte nie gedacht, dass er einmal zu diesen New-Age-Typen gehören würde, die an das Übernatürliche glauben … aber er konnte nicht leugnen, was mit ihm geschah. Je mehr Zeit er mit Michele verbrachte, an desto mehr Einzelheiten aus ihrer gemeinsamen Geschichte erinnerte er sich, und mit jedem neuen Erinnerungsbruchstück wurden seine Gefühle stärker.
Während er die Stufen zu seiner Wohnung im ersten Stock hinaufstieg, war er in Gedanken schon an seinem Klavier. Eine neue Komposition kündigte sich an, und seine Finger kribbelten vor Vorfreude. Er ließ seinen Rucksack auf den Boden fallen und lief schnurstracks zum Klavier, doch kurz bevor seine Finger die Tasten berühr ten, hörte er ein Geräusch – einen scharrenden, kratzenden Laut, der aus dem benachbarten Wohnzimmer drang.
Philip ging dem Geräusch nach und verzog das Gesicht, als er sich fragte, ob er wohl auf eine Rattenplage stoßen würde. Aber was er stattdessen erblickte, ließ ihn wie angewurzelt stehen bleiben.
Die Wand bebte und wackelte, und von unsichtbarer Hand erschienen Buchstaben darauf. Die Buchstaben B und R traten aus der Wand hervor, und starr vor Schreck sah Philip zu, wie ein unsichtbares Phantom die Worte BROOKLIN
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