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Timeless - Schatten der Vergangenheit: Roman (German Edition)

Timeless - Schatten der Vergangenheit: Roman (German Edition)

Titel: Timeless - Schatten der Vergangenheit: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Monir
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gegen die Kamera gedrückt. Ich starre durch die Linse, und aller Atem entweicht aus meiner Lunge.
    Kastanienbraunes Haar fällt ihr in Wellen über die Schultern und umrahmt porzellangleiche Haut, während das Funkeln ihrer Augen in mir die begehrliche Frage weckt, was sie wohl gerade denken mag. Ihr ansteckendes Lächeln löst das gleiche Ziehen in meiner Brust aus, das ich auch an meinem ersten Tag im Jahr 1991 gespürt habe, als ich das Mädchen auf dem Balkon des Windsor Mansion sah.
    Es ist dasselbe Mädchen.
    Unfähig, den Blick von ihr abzuwenden, lasse ich die Kamera sinken. Sie kommt zu meinem Platz und lächelt mich neugierig an, meine Wangen werden ganz warm.
    »Hi. Ich bin Marion Windsor.«
    Marion Windsor. Sie gehört zu dieser Familie, und doch ist sie so ganz anders, so herzlich und bezaubernd.
    Schnell nehme ich das Baseball-Cap ab und stehe auf, um mich vorzustellen. »Ich bin Henry Irving.«
    Ihr Lächeln wird breiter, und sie sieht mich an, als wüsste sie etwas, das mir entgangen ist. Es erfordert meine gesamte Selbstbeherrschung, nicht die Hand nach dem Grübchen in ihrer Wange auszustrecken oder ihre Porzellanhand zu ergreifen. In diesem Augenblick wird mir klar: Sie ist der Grund, aus dem ich durch die Zeit reisen musste. Und jetzt, da ich sie gefunden habe, kann ich mir nicht mehr vorstellen, jemals wieder zurückzukehren.
    31. Mai 1993
    »Don’t go changing to try and please me …«, summe ich nach dem Billy-Joel-Konzert grinsend und wirbele Marion auf dem Gehweg im Kreis. Kichernd legt sie den Kopf an meine Schulter.
    »Die Show war einfach sagenhaft«, sagt sie verträumt. »Und ›So It Goes‹ gehört definitiv zu meinen neuen Lieblingssongs.«
    Herumalbernd singen wir uns gegenseitig Ausschnitte aus Billy Joels Setlist vor, während wir den langen Weg vom Madison Square Garden nach Hause zum Windsor Mansion laufen. Die warme Spätfrühlingsnacht scheint voller Verheißungen zu liegen, und ich ertappe mich immer wieder dabei, wie ich auf Marions Hand hinabblicke und lächelnd den Plastikring an ihrem Finger ansehe. Wir haben ihn gemeinsam ausgesucht, nachdem ich ihr den Antrag gemacht hatte. In einem billigen Accessoire-Geschäft in der Manhattan Mall suchten wir uns den Schönsten der falschen Diamanten aus und lachten uns dabei schier kaputt. Es war Marions Idee – ich wollte ihr den teuersten Ring schenken, den ich mir leisten konnte, aber sie bestand darauf, das Geld für unser gemeinsames Leben zu sparen. Der Plastikramsch an ihrem Finger wird mich für immer an den glücklichsten Tag meines Lebens erinnern, an unsere heimliche Verlobung und an meine Zukunft mit ihr, die ich kaum noch erwarten kann.
    Als wir auf die Fifth Avenue einbiegen, höre ich hinter mir eine unverwechselbare Stimme.
    »So ein Zufall, dich hier zu sehen.«
    Bei diesen Worten gefriert mir das Blut in den Adern. Von Panik erfasst versteift sich mein ganzer Körper. Seit meinem früheren Leben im Jahr 1888 habe ich diese Stimme nicht mehr gehört; es ist die Stimme von jemandem, der inzwischen längst tot sein sollte.
    Sie kann es nicht sein, sage ich mir, während ich mich langsam umdrehe.
    Ein erstickter Schrei entfährt mir, als ich in die eisigen, dunklen Löcher ihrer Augen starre. Sie ist es – Rebecca Windsor. Ihr Gesicht ist noch gespenstischer, als ich es in Erinnerung hatte, und ihre große Gestalt kommt bedrohlich auf uns zu. Wie ist es möglich, dass sie in der Zukunft ist – und dabei so jung aussieht wie an dem Tag, als ich sie zuletzt gesehen habe?
    Sie ist ein Geist, erkenne ich voller Entsetzen.
    »Henry? Henry!« Ruckartig komme ich wieder zu mir, als Marion meinen Namen ruft und mich am Ärmel zieht, das Gesicht in sorgenvolle Falten gelegt. »Was ist los?«
    »Ich … ich dachte, jemand wollte uns überfallen«, improvisiere ich lahm und ringe mir ein Kichern ab.
    Marion verdreht liebevoll-spöttisch die Augen, ich lege ihr schützend den Arm um die Schultern und werfe noch einen Blick zurück. Der Anblick von Rebeccas Geist, der uns folgt und süffisant über meine Angst grinst, lässt mich erzittern. Ich richte den Blick starr geradeaus und bemühe mich, der Unterhaltung mit Marion zu folgen, während mir der Kopf schwirrt. Warum ist sie hier? Was will sie? Wie kann ich Marion noch beschützen, nachdem Rebecca sie nun gesehen hat?
    Endlich erreichen wir das Windsor Mansion. Noch immer verfinstert Rebeccas unheilvolle Gegenwart den Gehweg hinter uns. Als ich mich von Marion verabschiede,

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