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Timeline: Eine Reise in die Mitte der Zeit

Timeline: Eine Reise in die Mitte der Zeit

Titel: Timeline: Eine Reise in die Mitte der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Crichton
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hier. Als er Castelgard das erste Mal gesehen hatte, war noch fast das gesamte Gelände bewaldet gewesen, die wenigen noch stehenden Mauern waren von Moos und Flechten überwuchert und schienen aus der Erde herauszuwachsen wie organische Formen. Damals hatte die Anlage etwas Geheimnisvolles gehabt. Doch diese Aura war verflogen, als sie das Land rodeten und mit den Ausgrabungen begannen.
    Stern folgte ihm. Er kam nicht viel aus dem Labor und schien den Ausflug zu genießen. »Warum sind die Bäume so klein?« fragte er.
    »Weil es ein junger Wald ist«, antwortete Chris. »Fast alle Wälder im Perigord sind weniger als hundert Jahre alt. Früher war das ganze Land hier gerodet, für Weinberge.«
    »Und?«
    Chris zuckte die Achseln. »Eine Krankheit. Um die Jahrhundertwende zerstörte ein Schädling, die Reblaus, alle Weinstöcke. Und der Wald wuchs nach.« Und dann fügte er hinzu: »Der französische Weinbau wäre fast untergegangen. Gerettet wurde er nur, weil man reblausresistente Weinstöcke importierte, und zwar aus Kalifornien. Etwas, das die Franzosen gern vergessen.«
    Während er redete, hob er den Blick nicht vom Erdboden. Anhand von Steinfragmenten, die hier und dort zutage traten, konnte er dem Verlauf der alten Mauer folgen.
    Doch plötzlich war die Mauer verschwunden. Er hatte sie völlig aus den Augen verloren. Jetzt mußte er umkehren und ihre Spur wiederaufnehmen.
    »Verdammt.«
    »Was ist?« fragte Stern.
    »Ich finde die Mauer nicht mehr. Sie verlief in dieser Richtung da«, er deutete mit der offenen Hand, »und jetzt ist sie verschwunden.«
    Sie standen inmitten von besonders dichtem Unterholz, hohe Farne vermischt mit dornigen Ranken, die ihm die nackten Beine zerkratzten. Stern trug eine lange Hose, er ging einfach weiter und sagte: »Ich weiß nicht, Chris, irgendwo hier muß sie doch sein…«
    Chris wußte, daß er umkehren mußte. Er wollte eben zurückmarschieren, als er Stern schreien hörte.
    Chris drehte sich um.
    Stern war verschwunden. Einfach nicht mehr da.
    Chris stand allein im Wald.
    »David?«
    Ein Stöhnen. »Ah… verdammt.«
    »Was ist passiert?«
    »Ich hab mir das Knie angestoßen. Tut verdammt weh.«
    Chris konnte ihn nirgendwo sehe n. »Wo bist du?«
    »In einem Loch«, sagte Stern. »Ich bin gefallen. Paß auf, wenn du in meine Richtung kommst. Eigentlich…« Ein Grunzen. Fluchen. »Alles okay. Ich kann stehen. Ich bin in Ordnung. Eigentlich – «
    »Was ist?«
    »Wart mal!«
    »Was ist denn los?«
    »Wart einfach, okay?«
    Chris sah Bewegung im Unterholz, die Farne schwankten,
    Stern bewegte sich offensichtlich nach links. Dann sagte er etwas. Seine Stimme klang merkwürdig. »Ah, Chris?«
    »Was ist?«
    »Es ist ein Teil der Mauer. Gebogen.«
    »Was sagst du da?«
    »Ich glaube, ich stehe am Fuß von etwas, das früher mal ein runder Turm war, Chris.«
    »Im Ernst?« fragte Chris. Woher hatte Kramer das wissen können?
    »Schau im Computer nach«, sagte der Professor. »Prüf nach, ob wir irgendwelche Hubschrauberbilder haben – Infrarot oder Radar –, die einen Turm zeigen. Vielleicht ist er schon irgendwo aufgezeichnet, und wir haben ihn nur übersehen.«
    »Am ehesten auf Infrarotaufnahmen vom späten Nachmittag«, sagte Stern. Er saß auf einem Stuhl und drückte  sich einen Eisbeutel aufs Knie.
    »Warum vom späten Nachmittag?«
    »Weil dieser Kalkstein Wärme speichert. Das ist der Grund, warum es den Höhlenmenschen hier so gefallen hat. Sogar im Winter war es in einer Kalksteinhöhle hier im Perigord um fünf Grad wärmer als draußen.«
    »Und am Nachmittag…«
    »Speichert die Mauer die Wärme, während der Wald sich
    abkühlt. Und zeichnet sich deshalb auf Infrarot ab.«
    »Auch wenn sie verschüttet ist?«
    Stern zuckte die Achseln.
    Chris setzte sich an den Computer und tippte auf die Tastatur. Ein leises Piepsen kam aus dem Computer. Und plötzlich wechselte das Bild.
    »Ups. Wir sind in E-Mail.«
    Chris klickte die Mailbox an. Es gab nur eine Nachricht, aber das Herunterladen dauerte ziemlich lange. »Was ist das?«
    »Ich schätze, die Mail von diesem Wauneka«, erwiderte Stern. »Ich habe ihm gesagt, er soll eine Graphik in ziemlich hoher Auflösung schicken. Er hat sie wahrscheinlich nicht komprimiert.«
    Dann tauchte das Bild auf dem Monitor auf: eine Ansammlung von Punkten in einem geometrischen Muster. Sie erkannten es sofort. Es war eindeutig das Kloster von Sainte-Mere. Ihre Anlage.
    Detailgenauer als ihre eigenen Karten.
    Johnston

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