Timeline: Eine Reise in die Mitte der Zeit
er jetzt.
Er stand an einem Ende der Wiese und winkte Chris, der am anderen neben der quintaine stand. »Chris? Bist du soweit?«
Chris nickte und drehte das T-Kreuz so, daß es im rechten Winkel zu Mareks Reitrichtung stand. Er winkte. Marek senkte die Lanze und spornte sein Pferd an.
Das Training mit der quintaine war trügerisch einfach. Der Reiter galoppierte auf das T-Kreuz zu und versuchte, das gepolsterte Quadrat mit seiner Lanzenspitze zu treffen. Wenn er es schaffte, versetzte er das T-Kreuz in eine Drehbewegung, und er mußte sein Pferd noch einmal antreiben, um außer Reichweite zu sein, bevor der Ledersack herumschwang und ihn am Kopf traf. Früher, das wußte Marek, war der Sack so schwer gewesen, daß er einen jungen Reiter vom Pferd werfen konnte. Aber Marek hatte ihn nur so schwer gemacht, daß er ihm eine schmerzhafte Rüge erteilen konnte.
Beim ersten Mal traf er sein Ziel, war aber nicht schnell genug, um dem Sack zu entgehen, der ihn hart am linken Ohr traf. Er zügelte das Pferd und trabte zurück. »Warum probierst du es nicht mal, Chris?«
»Vielleicht später«, sagte Chris und brachte das T-Kreuz für die nächste Runde in Stellung.
In letzter Zeit hatte Chris ein paarmal einen Ritt auf die quintaine versucht. Aber Marek vermutete, das war nur ein Nebeneffekt von Chris' plötzlichem Interesse an allem, was mit Reiten und Pferden zu tun hatte.
Marek wendete sein Tier, ließ es steigen und stürmte noch einmal vorwärts. Als er mit dem Lanzenreiten angefangen hatte, war es ihm absurd schwer vorgekommen, in vollem Galopp auf ein Quadrat von nur dreißig Zentimeter Kantenlänge zuzureiten. Inzwischen aber hatte er den Dreh heraus. Bei fünf Versuchen traf er viermal das Ziel.
Das Pferd donnerte voran. Er senkte die Lanze.
»Chris! Hallo!«
Chris drehte sich um und winkte einem vorbeireitenden Mädchen zu. In diesem Augenblick traf Mareks Lanze das Ziel, der Ledersack schwang herum und warf Chris zu Boden.
Benommen lag Chris da und hörte ein perlendes Mädchenlachen. Aber die junge Frau stieg schnell ab und half ihm auf die Beine. »Ach, Chris, tut mir leid, daß ich lache«, sagte sie mit ihrem eleganten britischen Akzent. »Es war auf jeden Fall meine Schuld. Ich hätte dich nicht ablenken dürfen.«
»Ich bin okay«, sagte er ein wenig eingeschnappt. Er wischte sich den Staub vom Kinn, und als er sich ihr zudrehte, gelang ihm sogar ein Lächeln.
Wie immer staunte er über ihre Schönheit, vor allem in Augenblicken wie diesem, wenn ihre blonden Haare von hinten von der Nachmittagssonne beleuchtet wurden, so daß ihr vollkommenes Gesicht zu leuchten schien und ihre veilchenblauen Augen noch intensiver strahlten. Sophie Rhys-Hampton war die schönste Frau, die er je getroffen hatte. Und die intelligenteste. Und die kultivierteste. Und die verführerischste.
»O Chris, Chris«, sagte sie und strich ihm mit ihren kühlen Fingerspitzen übers Gesicht. »Ich muß mich wirklich entschuldigen. Armer Junge. Geht's wieder?«
Sophie war Studentin am Cheltenham College und zwanzig Jahre alt, vier Jahre jünger als er. Ihr Vater, Hugh Hampton, war ein Londoner Anwalt; ihm gehörte das Anwesen, das vom Team für den Sommer angemietet worden war. Sophie verbrachte ihre Ferien mit Freunden in einem Landhaus in der Nähe. Eines Tages war sie vorbeigekommen, um aus dem Arbeitszimmer ihres Vaters etwas zu holen. Chris hatte sie gesehen und war gegen einen Baum geknallt. Und das hat anscheinend unserer Beziehung die Richtung vorgegeben, dachte Chris ein wenig betrübt. Jetzt sah sie ihn an und sagte: »Ich bin geschmeichelt, daß ich eine solche Wirkung auf dich habe, Chris. Aber ich mache mir Sorgen um deine Sicherheit.« Sie kicherte und küßte ihn leicht auf die Wange. »Ich hab dich heute angerufen.«
»Ich weiß, aber ich war verhindert. Wir hatten eine Krise.« »Eine Krise? War es eine archäologische Krise?« »Ach, du weißt schon. Probleme mit dem Sponsor.« »Ach ja. Diese ITC-Truppe. Aus New Mexico.« Bei ihr klang es, als wäre es das Ende der Welt. »Weißt du was, die wollten meinem Vater den Hof abkaufen.«
»Wirklich?«
»Ja. Sie meinten, sie müßten ihn für so viele Jahre mieten, daß sie ihn am liebsten gleich kaufen würden. Natürlich hat er nein gesagt.«
»Natürlich.« Er lächelte sie an. »Abendessen?«
»Ach, Chris, ich kann heute abend nicht. Aber wir können morgen zusammen reiten. Sollen wir?«
»Natürlich.«
»Vormittags? Um zehn?«
»Okay«, sagte er.
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