TimeRiders 03: Der Pandora Code
würde er wissen, wie er sie einzuschätzen hatte, und dann ⦠dann, wenn diese Wesen am wenigsten darauf vorbereitet waren, wenn er ganz sicher sein konnte, dass sie über keine verborgenen Waffen verfügten ⦠dann würde sein Rudel sie angreifen und in ihrem Fleisch schwelgen. Dann würden sie einmal mehr feiern, dass sie in dieser Welt die fähigsten Jäger waren. Sie würden den Wald mit den Innereien ihrer Beute schmücken und sich mit ihrem Blut die Haut bemalen.
Er klappte leise die Kiefer mit den scharfen Zähnen zusammen und beschloss, dass Geduld im Moment die beste Strategie war.
29
65 Mio. Jahre v. Chr. Urwald
Als Liam den Fluss sah und den darüberhängenden Baumstamm, der nun die beiden Ufer des schäumenden Wildwassers miteinander verband, seufzte er erleichtert. Offenbar hatte Becks die Brücke wie besprochen bauen können. Dank eines Gegengewichts aus zusammengezurrten Holzklötzen konnte sie nun hochgezogen werden. Das Gewicht war mit einem dicken, aus Lianen geflochtenen Seil verbunden, das über den dicken, über den Fluss ragenden Ast eines hohen Baumes verlief und an einem Ende der improvisierten, zehn Meter langen Baumstammbrücke befestigt war. Der Stamm hatte nur gut 30 Zentimeter Durchmesser. Somit war er stabil genug, um ihr Gewicht zu tragen, wenn sie einzeln darüberbalancierten, und doch nicht so schwer, dass der als Seilhalterung fungierende Ast brach, wenn die »Zugbrücke« hochgezogen wurde.
Einer nach dem anderen gingen sie vorsichtig über die Brücke.
Liam, der als Letzter dran sein würde, suchte mit den Augen den Waldrand am Ufer ab. Ihn beunruhigte der Gedanke, dass er, sobald er hier alleine zurückblieb, möglicherweise irgendeinem Dinosaurier wie ein verlockendes Häppchen vorkommen könnte.
Doch nichts geschah, bis er an der Reihe war, und wenige Augenblicke später war er wieder auf der Insel. »Okay, jetzt ziehen wir die Brücke hoch«, sagte er zu seinen Begleitern.
Gemeinsam zogen sie an dem Gewicht, bis der Baumstamm in einem Winkel von geschätzten 45 Grad emporragte.
»Das reicht.« Liam sah zum Himmel hinauf. Die Sonne näherte sich dem Horizont und die Schatten wurden länger. Aus der Richtung, in der die Lichtung lag, konnten sie die Schläge der Macheten auf Holz hören: Die anderen arbeiteten an ihrem Lager, ihrem neuen und hoffentlich nur vorübergehenden Zuhause. Für Liam hatten die Arbeitsgeräusche einen entscheidend beruhigenden Klang.
»Ich hoffe, sie haben schon mal das Abendessen aufgesetzt«, sagte er zu den anderen.
Eine Minute später, als sie gerade die Lichtung erreicht hatten und gespannt darauf waren, zu sehen, was die anderen inzwischen geschafft hatten, hörten sie einen gellenden Schrei.
»Was ist denn?«, rief Liam erschrocken.
Am gegenüberliegenden Rand der Lichtung sah er jemanden laufen. Es war dieses Mädchen, Laura. Sie schwankte, stolperte, sank auf die Knie und richtete sich dann wieder mühsam auf. Hinter ihr her rannte eine in Schwarz gekleidete Gestalt mit flammend roten Haaren: Becks.
»Wow! Zickenterror!«, meinte Jonah mit einem idiotischen Grinsen.
»Hey!«, schrie Liam. »Was ist da los?«
Laura sah zu ihm herüber und rannte dann auf ihn zu. Becks holte rasch auf. Jetzt erst bemerkte Liam, dass sie einen der Bambusspeere in der Hand hielt. Einen Speer, an dessen Spitze ein roter Blutfleck war.
Was zum �
Er hastete auf sie zu. »Becks! Was ist los?«
Jetzt, wo sie näher kam, erkannte er an Lauras linkem Arm eine klaffende Wunde. Ihr pinkfarbenes Sweatshirt war voller Blut.
»Oh Gott! Hilfe! Sie will mich umbringen!«, kreischte Laura.
Die übrigen Mitglieder der Gruppe waren wie angewurzelt bei den Hüttengestellen stehen geblieben, die sie errichtet hatten, und starrten fassungslos auf die Szene.
Als sie Liam erreicht hatte, brach Laura zusammen. Sie fiel ihm praktisch vor die FüÃe, und sah sich dann angstvoll nach Becks um, die mit energischen Schritten auf sie zukam. »Sie wollte mich aufspieÃen!«, keuchte Laura. »Sie ist einfach zu mir gekommen und hat mir ohne Grund den Speer in den Arm gerammt!«
Becks blieb einige Meter vor ihnen stehen und blickte Liam ruhig an. Dann bewegten sich ihre Mundwinkel nach oben, die Lippen spannten sich, ihre perfekten Zähne wurden sichtbar, und sie lächelte eines ihrer Pferdelächeln.
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