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Timm Thaler

Timm Thaler

Titel: Timm Thaler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Krüss
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nächsten Tag sorgte die alte Frau dafür, daß sie bei Timms
    Erwachen mit ihm allein im Haus war, und das war einfach zu
    bewerkstelligen, weil der Junge erst am frühen Nachmittag
    aufwachte.
    Sie nahmen zusammen ein reichlich spätes Frühstück ein. (Das
    Frühstück war für Frau Rickert eine so köstliche Mahlzeit, daß sie mit Vergnügen zweimal an einem Tage frühstückte.) Danach mußte
    Timm haargenau erzählen, was er seit seiner Abreise aus Hamburg
    erlebt hatte. Und das tat er mit sichtbarem Vergnügen.
    Er schwenkte eine Zeitung in seiner Hand und schrie:
    „Sensazione! Senzazione! Il Barone Lefuet é morto! Un ragazzo di
    quattordici anni adesso il piü ricco uomo del mondo! Sensazione!“
    „Wie hübsch er geworden ist!“ dachte Frau Rickert, als sie Timm
    ansah. „Und wie gut er ausländisch reden kann!“ Dann lauschte sie aufmerksam der Erzählung.
    Timm erzählte der alten Dame seine Abenteuer, als ob es sich um
    eine Komödie handele, um ein Lustspiel. Jetzt, da er im Besitz seines Lachens war, wirkte vieles komisch, was vordem schrecklich
    gewesen war. Er erzählte von den verrückten Wetten mit Jonny, vom Ende des Kronleuchters im Hotel „Palmaro“, von den Bildern in
    Genua und Athen, von den Verschwörungen im Schloß, von Selek
    Bei, vom Margarine-Untemehmen, von der Weltreise, von der
    Heimkehr nach Hamburg, von der Stiefmutter und Erwin und von
    der schwarzen Stunde der Straßenbahnen.
    Dann war die alte Dame an der Reihe zu erzählen. Und sie tat es
    mit sichtlichem Behagen: „Weißt du, Timm, als du nicht
    wiederkamst aus Genua und als hier zuerst der Herr Kreschimir
    auftauchte und dann der starke Jonny, da ahnte ich gleich etwas.
    Man wollte mir nicht sagen, was los war. Ich hab’ nämlich einen
    Herzklappenfehler. Aber den hab’ ich jetzt schon über achtzig Jahre, und allmählich haben wir uns aneinander gewöhnt, der
    Herzklappenfehler und ich. Ich hab’ also ein bißchen spioniert, und da hab’ ich den Brief gefunden, den du aus Genua geschrieben hast.
    Na, da wußte ich denn ja ‘n büsehen mehr, noch?“
    Die alte Frau, die Timm jetzt für einen jungen Herrn ansah und
    sich deshalb bemüht hatte, „gebüldetes Hochdeutsch“ zu reden, fiel wieder in ihre hamburgische Mundart.
    „Ich hab ümmer s-pioniert, wenn Krüschan mit ‘n Herrn
    Kreschimir oder mit ‘n s-tarken Dschonny geschnackt hat. Sie kam’
    ja noch allzuoft, weil sie auf Dock arbeiten mußten. Andere Arbeit haben sie einfach noch bekomm’. Das war, als ob’s mit ‘n Teufel
    zuging. Na, und mit dem ging’s denn ja wohl auch zu, noch?
    Jedenfalls hab’ ich ümmer allns mitgekriegt, was geschnackt wurde.
    Ich hab auch gewüßt, daß mein Sohn seine S-tellung verloren hat,
    obwohl er mir das verheimlicht hat.“
    „Ist er wirklich Hafenarbeiter geworden?“ unterbrach Timm.
    „Ja, mein Jung, das ‘s er tatsächlich gewesen. Du weißt vielleicht nich, wie das is in Hamburg, Timm. Da is allns so ganz gediegen,
    wenn du das vers-tehst. Wenn einer aus’n seriösen Posten entlassen wird und man munkelt irgendwas – auch wenn’s man nur dummer
    Schnack ist – denn nimmt ihn keiner mehr ins Kontor. Vers-tehst
    du?“
    Timm nickte.
    „Na, ich hab’ ja Vermögen. Meistens in Papier’n.“
    „In Aktien?“ fragte Timm.
    „Ja, in Aktien, mein Jung. Vers-tehst du nun ja auch’n büschen
    was von, noch? Also, wie gesagt, mein Sohn hätt’ ja überhaupt nich als Hafenarbeiter geh’n müss’n, weil ich vermögend bin. Aber er is nun mal so’n Mensch, der immer rackern muß. Und ohne Hafen wird
    er einfach tüterig. Deshalb is er als Hafenarbeiter gegang’. Hat sich aber erst auf den Docks umgezogen. Immer picobello aus’n Haus
    und picobello wieder von der Arbeit zurück. Hat gedacht, ich merk nix von seiner neuen S-tellung, weil ich meistens zu Hause rumsitz.
    Aber es gibt ja’n Telefon, noch?“
    Timm mußte über die alte Frau lachen, und Frau Rickert lachte
    mit.
    „Ich bün ja ‘ne alberne alte Gans… nee, nee, ich weiß, daß ich
    das bün… aber so dumm bün ich ja denn doch nich. Ich hab’ auch
    zuerst mit’n Herrn Selek Bei geschnackt, als der hier antelefoniert hat. Na, und da haben die Herren Verschwörer mich endlich doch
    aufgeklärt. Hab’ natürlich so getan, als hätte ich nix gewußt. Hab’
    dauernd Kulleräugen gemacht und gepiepst: Ischa nich möööglich!
    Und so. Na, jedenfalls wurde ich eingeweiht. Und ich hab’ auch den Zettel für dich geschrieb’m. Mit der

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