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Timm Thaler

Timm Thaler

Titel: Timm Thaler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Krüss
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noch
    steilere Stiege hinunter.
    „Was ist denn, Jonny? Hat uns doch jemand verfolgt?“
    „Spare deinen Atem, Timm. Durch unser Manöver haben wir
    einen Vorsprung, den wir halten müssen. Unten steht Kreschimir.“
    Timm strauchelte; Jonny fing ihn auf und trug ihn ganz einfach
    die letzten Stufen hinab. Timms Blick streifte ein beleuchtetes
    Schild: „Teufelsstiege“.
    Als Jonny den Jungen absetzte, pfiff er. Irgendwo in der Nähe
    pfiff es wieder.
    „Tu sofort, was Kreschimir sagt“, flüsterte Jonny.
    Aus dem Dunkel tauchten zwei Gestalten auf: Kreschimir und
    Herr Rickert. Der Kloß in Timms Kehle war diesmal mindestens
    apfelgroß.
    „Gib mir die Hand, Timm, und wette mit mir, daß du dein Lachen
    wiederbekommst. Mach schnell!“ Es war die vertraute Summe
    Kreschimirs.
    Trotz seiner Verwirrung gab Timm ihm die Hand. „Ich wette mit
    dir…“
    „Halt!“ schrie es hoch oben von der Treppe. „Halt!“ Aber
    niemand war zu sehen.
    Kreschimir sagte ruhig und fest: „Ich wette, daß du dein Lachen
    nicht zurückbekommst, Timm. Um einen Pfennig!“
    „Dann wette ich…“
    „Halt!“ schrie es. Jonny flüsterte: „Weitermachen!“
    „Dann wette ich mit dir, daß ich mein Lachen zurück«bekomme,
    Kreschimir. Um einen Pfennig.“
    Jonny schlug die Hände durch, wie es üblich war. Dann wurde es
    unheimlich still.
    Timm hatte gewettet, wie man es von ihm verlangt hatte; aber er
    begriff nicht, was eigentlich geschehen war. Ratlos und stumm stand er da. Drei vertraute Gesichter, von der entfernten Laterne halb
    beleuchtet, hatten sich ihm zugewandt. Sein eigenes Gesicht war
    dem Licht abgekehrt. Nur ein Stück seiner Stirn glänzte weiß im
    Dunkel.
    Herrn Rickerts Blick hing wie gebannt an dieser bleichen Stirn.
    So hatte er Timm schon einmal gesehen, in genau der gleichen
    Beleuchtung. In einem Gasthaus, das nur wenige Schritte von ihnen entfernt war: beim Marionettenspiel. Und man erkennt den
    Menschen stets daran, daß er zur rechten Stunde lachen kann. War dies, so fragte sich Herr Rickert bang, die rechte Stunde?
    Auch die Blicke Kreschimirs und Jonnys hingen an dieser
    beleuchteten Stirn, dem einzigen, was man von Timm in der
    Finsternis sah.
    Der Junge im Dunkel sah zu Boden. Dennoch fühlte er die
    fragenden Blicke. Ihm war elend zumute, obwohl er etwas aus dem
    Bauch heraufsteigen fühlte, etwas Leises, Leichtes, Vogelhaftes, eine Art Lerchentriller, der ins Freie drängte. Aber Timm war noch zu
    schwer dafür; es machte ihn hilflos. Er ließ sich das Kullern mit dem Schlucker am Schluß geschehen, wie man sich einen Schluckauf
    geschehen lassen muß. Er ergriff nicht Besitz von seinem alten
    Lachen: Das Lachen ergriff von ihm Besitz. Jetzt, da der
    langersehnte, der durch Jahre erwartete Augenblick da war – jetzt war Timm ihm nicht gewachsen. Er lachte nicht: Ihm geschah das
    Lachen. Er war seinem Glück ausgeliefert. Und wenn er damals im
    Marionettentheater bemerkt hatte, wie ähnlich sidi die Gebärden des Lachens und des Weinens sind, so erfuhr er jetzt, daß Lachen und
    Weinen auch im Wesen manchmal kaum voneinander zu
    unterscheiden sind. Timm lachte und weinte in einem. Er ließ sich durchschütteln; er ließ die Tränen rinnen und die Wangen feucht
    werden; er ließ die Arme willenlos herunterhängen und seine
    Freunde Freunde sein. Ihm war, als durchlitte er seine zweite Geburt.
    Und dann geschah etwas Seltsames: Timm sah durch einen
    Schleier von Tränen drei helle Gesichter auf sich zukommen, und
    plötzlich vertauschten sich Gegenwart und Vergangenheit. Er war
    ein kleiner Junge vor dem Schalter eines Pferderennplatzes, und er hatte Geld gewonnen, viel Geld. Er weinte vor Glück über den
    Gewinn und vor Trauer über den Vater, der dieses Glück nicht
    miterlebte. Und dann hörte er eine kehlige knarrende Männerstimme sagen: „He, Kleiner, wenn man so viel Glück hat wie du, dann weint man doch nicht.“
    Timm sah auf. Aus irgendeiner Ecke seines Gedächtnisses mußte
    jetzt ein Mann mit einem zerknitterten Gesicht und einem
    zerknitterten Anzug hervortreten. Aber das Bild dieses Mannes
    verschwamm. An seine Stelle trat eine andere Gestalt, eine große
    und leibhaftige: Jonny. Und mit dem Steuermann war plötzlich die
    Gegenwart wieder da, die Nacht vor dem Gasthaus in övelgönne, das Licht an der Treppe, die hinauf in die Finsternis führte, und drei alte Freunde, deren Mienen unentschieden zwischen Lachen und Weinen
    zuckten.
    Timm Thaler war von seinem wiedergekehrten

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