Timm Thalers Puppen
sondern um etwas Neues, etwas, das auch die ärmste Erde fruchtbar machen kann, und also auch um etwas Gutes. Hab ich recht?«
»Gewiß, Herr Schark.« Der Detektiv Big Meyer war
verwirrt. »Gewiß, Herr Schark, ein Dünger dieser Art ist, wenn er etwas nützt, wirklich erfreulich. Nur weiß ich nicht, was Sie mir damit sagen wollen. Mein Auftrag war,
herauszufinden, welche organischen Bestandteile der Odu-Dünger hat. Das habe ich Ihnen soeben mitgeteilt. Sie waren aber nicht erstaunt darüber. Mir ist fast so, als hätten Sie es schon gewußt. Was haben Sie vor mit mir? Beabsichtigen Sie, mein Honorar zu drücken?«
»Aber nein, um des Himmels willen, verehrter Herr
Detektiv!« Tiburtius Schark klopfte Big Meyer auf die Schulter. »Aber nein, nein, ich will Ihr Honorar nicht drücken.
Im Gegenteil: Ich zahl Ihnen das Dreifache von dem, was abgemacht war. Ich habe nur eine Bedingung.«
»Welche Bedingung?« fragte Detektiv Big Meyer.
»Schweigen Sie über das Ergebnis Ihrer Nachforschungen in Venedig.«
»Das, werter Herr Schark«, sagte Big Meyer leicht
verschnupft, »gehörte von Anfang an zu den Grundsätzen unseres Hauses, daß alles, was wir im Auftrage unserer Kunden erfahren, niemals aus unseren vier Wänden nach außen dringt.«
»Um so besser, Herr Detektiv, um so besser!« Tiburtius Schark setzte sich an seinen Schreibtisch und schrieb einen Scheck aus. Als ihn Big Meyer dabei leise fragte: »Sind Sie mit Odu-Dünger irgendwie übereingekommen?« antwortete der Mann am Schreibtisch: »Odu hat sich mit einem Angebot an uns gewandt. Wie werden gemeinsam auch andere große Städte ähnlich wie Venedig anzapfen.«
»Dann wird die Kunstdünger-Branche jetzt auch
organischen Dünger verkaufen?« fragte Big Meyer.
»Halb Kunst und halb Natur«, antwortete Tiburtius Schark und überreichte dem Detektiv vom Schreibtisch aus den Scheck. »Genauso wie künftig die Firma Odu-Dünger. Denn die wird umgekehrt ihren Produkten künstlichen Dünger hinzufügen müssen. Der Zug der Zeit geht weg vom
Künstlichen und zum Natürlichen zurück. Dem müssen wir uns anpassen. Wir werden beide leicht gekünstelte Natur anbieten. Den Grundstock unseres künftigen Düngers aber bilden…«
»…erlesene organische Bestandteile«, ergänzte Detektiv Big Meyer. Wenig später verließ er mit einem Scheck in der Tasche das Büro des großen alten Mannes der Kunstdünger-Branche.
Seitdem hat die alteingesessene Detektiv-Agentur Meyer-Stromberg, in Fachkreisen meist Meyer-Stromlinie genannt, in ihren Tresoren ein Geheimnis mehr zu hüten.
Timm Thaler schwieg; denn die Geschichte war zu Ende.
Monsieur El Baid jedoch, der vorn im Bug der Gondel saß und der zum Ende der Geschichte hin immer unruhiger geworden war, sprang plötzlich, als wir einen hölzernen Bootssteg passierten, vom Gondelrand auf diesen Steg hinauf und rief:
»Ich habe nichts gehört. Ich weiß von nichts. Mich geht’s nichts an.« Er klaubte aus einer Jackentasche einen großen Geldschein heraus, warf ihn dem Gondoliere zu und hastete davon, gradaus und dann nach links in eine Nebengasse hinein.
Während wir noch verblüfft dasaßen und der Gondoliere mit dem großen Geldschein in der Hand kopfschüttelnd in die jetzt leere Gasse hineinblickte, ertönte über uns eine mir nun schon wohlbekannte Stimme. Sie sagte: »Schönen guten Tag, die Herren. Nehmen Sie mich bis zum Markusplatz mit?« Es war der Baron, mit Sonnenbrille und im Glencheckanzug. Er stand auf einer kleinen Brücke, die gerade über uns
hinwegglitt.
Timm Thaler sagte: »Steigen Sie ein, Baron.« Und noch ehe der Gondoliere an einem Treppchen die Gondel anhalten konnte, saß der Baron schon vorn im Bug, wo vorher
Monsieur El Baid gesessen hatte.
»Zum Markusplatz«, wies er den Gondoliere auf italienisch an. Dann wandte er sich zu uns und sagte: »Ich hoffe, der kleine Umweg macht Ihnen nichts aus, meine Herren. Wir sind ja in fünf Minuten am Markusplatz-Kai.«
»Auch wir werden dort aussteigen, Baron«, sagte Timm Thaler. »Was treiben Sie in Venedig?«
»Das wissen Sie so gut wie ich, Herr Thaler. Oder?«
»Vielleicht, vielleicht auch nicht«, sagte Timm Thaler. Er wirkte plötzlich träumerisch.
Wir passierten gerade einen Kirchturm linker Hand, der fast so schräg wie der Schiefe Turm von Pisa dasteht. Dann sahen wir vor uns, hinter dem Ausgang des Kanals, durch den wir fuhren, ein großes Schiff mit dunklen Deckaufbauten. Es kreuzte die Bucht von Sankt Markus, in die wir
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