Timm Thalers Puppen
vergeblich zu lächeln und sagte schließlich: »Erfolg, meine lieben Freunde, das wissen Sie selber, die Sie Erfolg genossen haben, Erfolg bleibt immer irgendwie ein Risiko. Da auf dem Mars eine kleine Sonde tickt, haben die
Buchverkäufer plötzlich Angst bekommen, daß dieses Buch nicht zu verkaufen sei.« Der Kapitän zeigte mit großer Geste auf die Bücherwürfel, als klage er die Buchverkäufer an.
»Haha, die meinen, dieses Buch wäre nicht verkäuflich, das Buch eines Erfolgsautors. Haha!«
Er lachte übertrieben laut, und allen war es peinlich, und als er merkte, daß es allen peinlich war, da wurde er verlegen. Er stand jetzt so verlegen da, daß selbst die Spötter Mitleid mit ihm hatten und man nur halblaut sprach, als man die Halle verließ, dem Kapitän süßsauer zulächelnd oder ihm tröstend auf die Schulter klopfend.
Am Ende blieben in der geschmückten Halle allein die Bücherwürfel zurück, dazu der mit dem Schnurrbart zuckende Kapitän Spaventa und Mister Arleck, der All-Waren-Händler.
»So geht’s im Leben, heute hui und morgen pfui«, bemerkte Mister Arleck. »Was soll nun aus den hunderttausend Büchern werden?«
»Nimmst du sie mir ab?« fragte, beinahe tonlos, Kapitän Spaventa.
»Es ist ein bißchen reichlich viel Papier«, antwortete Mister Arleck. »Und den reinen Papierwert kann ich natürlich nicht zahlen. Das Papier ist ja durch Druckerschwärze erheblich verschmutzt.«
»Verschmutzt?« Hier fing der große Kapitän Spaventa an zu weinen.
Mister Arleck aber, der alte, etwas reichlich bunt gekleidete All-Waren-Händler mit dem Buckel, sagte tröstend: »Jetzt wissen wir zum mindesten die Wahrheit, daß es auf dem Mars kein Leben gibt und daß der, der Erfolg hat, auch nicht immer recht hat. Das ist doch tröstlich zu wissen, Kapitän Spaventa, nicht wahr? Weisheiten haben ihren Marktwert schließlich auch.«
»Weisheiten? Markwert? Was soll das bedeuten?« rief, immer noch in Tränen, Kapitän Spaventa. Dann aber
wiederholte er, schon nicht mehr weinend: »Weisheiten mit Marktwert?« Und noch einmal, mit einem halben Lächeln:
»Weisheiten, die auch ihren Marktwert haben?«
Dann fing er fast zu strahlen an: »Arleck, mein Gott, welche Idee! Die Weisheiten des Mister Arleck! Was für ein Titel!
Das wird ein Knüller! Das ist noch nie dagewesen! Schreib mir das auf, Arleck: Die Weisheiten des Mister Arleck. Ich fange an mit hunderttausend Stück. Und dieses verschmutzte Papier hier…«, er zeigte auf die Bücherwürfel, »… dieses verschmutzte Papier hier schenk ich dir.«
So endete ein schön gedrucktes Buch, bevor es Leser fand, beim Trödler. Ein neues Buch aber, für das man viele Bäume fällen mußte, um für das Buch Papier daraus zu machen, ein neues Buch wurde schon angekündigt.
Als Timm nach der Geschichte schwieg, hörte ich hinter mir ein Hüsteln, und eine Stimme sagte: »Immer der gleiche Dummkopf, dieser Spaventa!« Ich drehte mich um und sah den Kellner mit den abgestoßenen Sachen an der Säule lehnen.
Er blickte Timm Thaler an.
Timm blickte ihn ebenfalls an und sagte: »Zahlen, Herr Ober.« Dann fügte er hinzu: »Für Kapitän Spaventa kam die Wahrheit ein bißchen zu früh.« Er zahlte, stand auf und ging davon. Ich folgte ihm und hörte ihn noch über die Schulter sagen: »Spekulationsgeschäfte sind immer ein Risiko, Baron.«
»Baron?« dachte ich und war wieder einmal verwirrt. Ich drehte mich um: Der Kellner war verschwunden. Doch sah ich an seiner Stelle auch keinen Baron. Den sah ich vielmehr gleich darauf aus einer Seitengasse kommen. Er grüßte kurz und schloß sich uns, links von uns beiden, an. Dabei sagte er, beinahe lächelnd: »Ach, Herr Thaler, die Wahrheit taugt auch für die Bücher nicht. Was mögen denn die Leute gerne lesen?
Tarzan und King Kong. Ausgedachtes Zeug. Ich finde…«, sagte der Baron, und seine Stimme klang nun singend und kam von rechts statt, wie zuvor, von links, »…ich finde, das war nicht klug von Kapitän Spaventa, den Buchverkauf gleich aufzugeben. Was bedeutet schon eine kleine dumme Sonde?«
»Die Sonde registriert die Wirklichkeit, Monsieur«, sagte Timm Thaler. Er sprach mit einem Herrn in einer Gondel, die uns rechter Hand auf dem Kanal entgegenkam. Es war
Monsieur El Baid. Als ich nach links sah, war die Straße leer.
»Die Wirklichkeit aber, Monsieur«, ergänzte Timm, »ist festgelegt, ganz anders als die Phantasie.« Timm ging, als er das sagte, über eine Brücke, und ich folgte ihm. Die
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