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Timm Thalers Puppen

Timm Thalers Puppen

Titel: Timm Thalers Puppen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Krüss
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Gondel glitt jetzt unter unseren Füßen fort. Und auch Monsieur El Baid entglitt uns wieder. Dafür kam uns, als wir das Brückchen überquert hatten, der Baron wieder entgegen, im Glencheckanzug und mit Sonnenbrille. Zu dem sagte Timm, fortfahrend in seiner Rede: »Schauen Sie, Baron, Tarzan und King Kong sind ja Phantasiegestalten. Aber die
    Marsmenschen hat Doktor Balanzini uns als wirklich
    verkaufen wollen. Unklugerweise.«
    »Weil in diesem Fall die Wirklichkeit auf mehr Interesse stößt, Herr Thaler«, sagte der Baron. »Und weil man damit in diesem Falle mehr verdienen kann.«
    »Aber die Wirklichkeit, die läßt nicht einfach mit sich spaßen«, sagte Timm und bog nach links in eine Gasse ein.
    »Das ist ja die Gefahr in unseren Tagen, daß man die Wirklichkeit und auch die Wahrheit selbst für käuflich hält.
    Man kann aber nur Menschen kaufen, und die können lügen.«
    »Aber die Menschheit ist heute doch ein einziges
    riesengroßes Warenhaus«, ertönte es in amerikanisch
    gefärbtem Deutsch. Die Stimme kam von oben. Als ich
    aufblickte, sah ich Mister Buckhard, den
    Hasenpfotenverkäufer, klein, nett und rund und mit dem rechten Zeigefinger wackelnd, auf einem Balkönchen. Den Baron sah ich nicht mehr.
    Timm blieb unter dem Balkönchen stehen und sagte:
    »Wenn uns die ganze Welt, Mister, zum Warenhaus wird, wenn man…«, Timm ging jetzt wieder weiter und legte seine Linke auf die Schulter eines Touristen in rotweiß geringeltem Pulli, »… wenn man den Bischof kaufen kann, um Waffen fromm zu weihen, wenn man Fußballer wie Handschuhe
    kaufen kann, wenn ich, Baron…«, Timm wandte sich nach rechts, wo der Baron plötzlich an seiner Seite ging, »…wenn ich, Baron, Nachrichten über den Tod des Bergsteigers Hans Hauer von seiner trauernden Witwe kaufen kann, pro Satz, den sie darüber spricht, zweitausend Mark, wenn ein Minister, Baron, den wir alle bezahlen, damit er unser Geld auch sinnvoll ausgibt, wenn der mit unserem Geld Privatgeschäfte macht, wenn…«, sagte Timm und blieb vor einem
    Andenkenladen stehen, vor dem der Kellner mit der
    abgestoßenen Kleidung stand, »…wenn die Gesetze des
    Basars, Handeln und Feilschen, Herr Ober, so unser ganzes Leben überwuchern, daß wir selbst unser eigenes Kind verkaufen, falls es nur einen guten Preis erzielt, wenn das geschieht, Baron, dann wird der Handel…«, Timm ging jetzt wieder, den Baron zur Linken, die Gasse entlang, »…wenn das geschieht, dann wird der Handel, der uns einst so viele Kenntnisse und Fortschritte beschert hat, zu einem Alptraum, wie er uns bedrückt, wenn wir uns überfressen haben.«
    »Aber der Handel, die Geschäfte«, sagte der Baron,
    während wir auf den Markusplatz hinaustraten, »die haben doch die Menschheit erst vereint, von Sippe zu Sippe, von Stamm zu Stamm, von Volk zu Volk und heute sogar, Herr Thaler, von Erdteil zu Erdteil.«
    »Erst war’s nur Tausch, Baron«, sagte Timm Thaler, »sechs Vogeleier gegen eine Kumme Eselstutenmilch, drei Handvoll Hirse gegen einen Flußaal.«
    »Oder ein Tennispartner gegen einen anderen«, sagte brüsk und sehr überraschend der Baron. Wir überquerten gerade den Platz, den die drei Bogengänge einfassen.
    Timm ging auf die überraschende Wendung des Gesprächs sofort ein. »Haben Sie mir über Tennisspielen etwas
    mitzuteilen, Baron?« fragte er.
    »Ihr Sohn, Herr Thaler«, sagte der Baron. »Ihr Sohn war heute der Erfolgreichste beim Tennis. Gratuliere! Ob ihm da jemand wohl geholfen hat? Empfehle mich.«
    Der Baron machte eine leichte Verbeugung gegen uns und war danach so rasch wie meist verschwunden. Ich aber war erschrocken; denn ich erinnerte mich plötzlich an jenen Jungen im Zugabteil, auf den mein Gegenüber im Abteil als Spiegelbild so heftig eingeredet hatte. Ich war nicht mehr im Zweifel darüber, wer mir im Zuge gegenübergesessen hatte.
    Ohne Timm Thaler mein Erlebnis zu erzählen, fragte ich: »Ob Krescho etwa mit dem Baron gewettet hat?«
    »Krescho hat dem Baron nichts anzubieten«, gab mir Timm zur Antwort. »Er hat keinen Ehrgeiz, Boy, und keine großen Wünsche. Das Leben gefällt ihm, wie es ist. Sein Lachen ist ein ganz harmloses Jungenlachen, das der Baron zu nichts gebrauchen kann. Es gibt keine Versuchung für den Krescho.«
    »Daß deinem Sohn der Ehrgeiz fehlt, bemerkte ich gestern im Wasser«, sagte ich. »Aber weißt du denn auch, was er für Wünsche hat? Falls der Baron tatsächlich mit ihm wetten sollte…« Mir war nicht wohl bei dem

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